Nur noch Breitensport

Nach dem sportlichen Abstieg der Ulmer Fußballer und Basketballer reicht das Geld nicht einmal mehr für die Unterklassigkeit. Den einstigen Aushängeschildern der Region droht die Insolvenz

aus Ulm THOMAS BECKER

Der Solidaritätspakt: eigentlich eine Selbstverständlichkeit, scheitert aber dann doch oft an, tja, mangelnder Courage. Im Sport ist das nicht anders als in der Politik. „Wir haben ja über relativ geringe Summen gesprochen“, sagt Walter Feucht, „aber einen Solidaritätspakt, den gab’s hier halt nicht.“ Hier, das ist Ulm. Und Walter Feucht, das ist der Mann, der hier bis zu seinem Rücktritt in der vergangenen Woche eineinhalb Jahre lang den Spitzensportkoordinator gab.

Damals wurden die Profiteams der Fußballer, Basketballer und Volleyballerinnen aus dem knapp 14.000 Mitglieder starken Hauptverein SSV Ulm 1846 ausgegliedert. Dem droht nun nach dem Abstieg der Kicker aus der 2. Liga und dem der Basketballer aus der Bundesliga ein Insolvenzverfahren. In einer ersten Bestandsaufnahme hat Insolvenzverwalter Jobst Wellensiek einen Schuldenstand von rund 25 Millionen Mark festgestellt. Walter Feucht kommentiert das so: „Der Verein ist – fast gewollt – auf das reduziert worden, was er immer schon war: ein Breitensportverein.“

Vergleichsweise läppische zweieinhalb Millionen Mark haben am Schluss gefehlt, erzählt Feucht, um wenigstens in der Regionalliga eine Rolle spielen zu können. Doch es war einfach kein Pfennig mehr aufzutreiben, weder von der zuvor so kooperativen örtlichen Sparkasse noch vom fußballverrückten Oberbürgermeister: „Das ist ja fast eine Form der Zumutung, noch einen weiteren Kredit zu verlangen, wenn man die alten noch nicht abbezahlt und das Geld zuvor mit vollen Händen aus dem Fenster geschmissen hat“, wettert OB Ivo Gönner, „beim SSV sind sämtliche guten Grundsätze außer Rand und Band geraten, da wurde heillos über die Verhältnisse gelebt. Wir sind wirklich ein Lehrstück für künftige Bundesligisten, ein Musterbeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Vielleicht bekommen wir vom DFB ja noch ein Honorar dafür.“

Mehr als Galgenhumor und Einsicht in eigene Fehler sind in und um Ulm kaum noch auszumachen. Es herrscht die große Ratlosigkeit. Zwar geht der Insolvenzverwalter davon aus, dass der Verein saniert werden kann, da 20 der 25 Millionen Mark Schulden langfristige Verbindlichkeiten sind und zudem ein Vereinsvermögen in ähnlicher Größenordnung gegenübersteht. Aber: Nach dem Rücktritt des Finanzchefs und des Spitzensportkoordinators verabschiedete sich nun auch Vereinspräsident Alexander Hirn aus dem Amt, das er vor zwei Jahren schon nur widerwillig übernommen hatte.

„Höchstens Aufsichtsrat in beratender Funktion wollte ich sein“, so Hirn. Doch da Wunschkandidat Feucht auch Präsident der benachbarten TSG Söflingen ist und zudem noch mehr als ein Dutzend anderer Ämter und Firmenbeteiligungen inne hat, ließ sich Hirn breitschlagen. „Vielleicht hätte sich der Walter Feucht doch ein bisschen mehr auf eine Sache konzentrieren sollen“, sagt Hirn heute. Wer sein Nachfolger wird, ist noch ungewiss. Feucht schlägt den Chef des seit Jahren treuen Hauptsponsors Gardena als Kopf eines Notvorstandes vor. Wer auch immer sich des undankbaren Jobs annimmt, er wird es vor allem mit Amateuren zu tun haben.

Die nach 13 Jahren Bundesligazugehörigkeit abgestiegenen Basketballer werden wohl vom Insolvenz-Sog mit hinabgerissen. „Es ist kein Vermögen in der Basketball GmbH vorhanden, mit dem der Spielbetrieb in der kommenden Saison finanziert werden könnte“, erklärt Insolvenzveralter Wellensiek. Karl Seitz, Manager des SSV ratiopharm Ulm, hatte das Unheil nahen sehen. „Was uns bleibt, ist die Erinnerung: Wir sind dabei gewesen“ – so hatte es Seitz, Manager und Sponsor in einer Person, vor dem letzten Heimspiel in die Hallen-Zeitung geschrieben. Das klingt nach wenig Lust auf die Zukunft und nach noch weniger Spaß an der Gegenwart.

Selbiger könnte auch den Volleyballerinnen vergehen. Finanzgeschäftsführer Steffen Nagl stellte zwar klar, dass die Volleyball-Abteilung wirtschaftlich in der Lage ist, die laufenden Kosten abzudecken, doch da die Volleyball GmbH noch Forderungen an die Spitzensport AG in bislang unbekannter Höhe hat und diese ebenso von der Insolvenz bedroht ist, ist auch das letzte Bundesliga-Team der Ulmer – immerhin bis ins Playoff-Viertelfinale vorgedrungen – vom Konkurs und der Einstellung des Spielbetriebes bedroht.

Ein heilloses Durcheinander, das OB Gönner zwar „emotional wahnsinnig betroffen macht“, aber auch als „heilsamer Schock“ wirken kann. „Auch das werden wir schaffen. In der langen Geschichte der Stadt Ulm haben wir schon ganz andere Katastrophen bewältigt“, sagt der Bürgermeister.