Nur noch 200.000 Lehrstellen zu wenig: Schwache Hoffnung für Azubis in spe

Zwar steigt die Zahl der Ausbildungsplätze, doch die Lücke zwischen Bewerbern und Angebot bleibt riesig. Die Gewerkschaft spricht von Scheitern des Ausbildungspakts.

Glück gahebt: drei Schornsteinfegerazubis aus Mörtitz. Bild: dpa

Die Bildungsministerin war des Lobes voll. "Erfreulich" nannte Annette Schavan (CDU) am Mittwoch die Lehrstellenbilanz, die im aktuellen Berufsbildungsbericht erfasst ist. Im vergangenen Jahr seien 626.000 Ausbildungsverträge unterschrieben worden - die zweithöchste Zahl seit der Wiedervereinigung, betonte die Ministerin stolz. Das ist ein Plus von fast 9 Prozent oder 50.000 Stellen gegenüber 2006.

Doch die Bildungsministerin redete die Lage schön: Die "erfolgreiche Trendumkehr", die der Bericht bei der Stellenzahl beschreibt, hat die Regierung hauptsächlich der Konjunktur zu verdanken. Und an anderer Stelle sieht die Bilanz düster aus. So blieben auch im vergangenen Jahr 100.000 Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz, im aktuellen Ausbildungsjahr droht gar eine Lücke von 200.000. Von ihrem Ziel, "jedem ausbildungsfähigen und -willigen Jugendlichen einen Platz zur Verfügung zu stellen", ist die Bildungsministerin also weit entfernt.

Entsprechend kritisch interpretieren die Gewerkschaften den Bericht: "Nichts hat sich an der Dramatik bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung verändert", sagt etwa IG-Metall-Vorstandsmitglied Regina Görner. Der Ausbildungspakt zwischen Regierung und Wirtschaft sei weiterhin gescheitert. "Die Paktpartner sonnen sich in Erfolgen, die nur auf dem Papier stehen."

Das größte Problem sind die Jugendlichen, die seit Jahren in der Warteschleife hängen - die sogenannten Altbewerber. Sie stellen inzwischen die Mehrheit der Bewerber. 2007 waren es 385.000, welche die Schule bereits vor mindestens einem Jahr verlassen hatten. Weil jedes Jahr neue Jugendliche außen vor bleiben, ist ihre Zahl in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. Vor zehn Jahren zählte die Statistik nur 303.000 Altbewerber. Das System schiebt also eine wachsende Bugwelle vor sich her.

Das Wundermittel der großen Koalition, um bis zu 100.000 Altbewerber in Lohn und Brot zu bringen, ist der sogenannte Ausbildungsbonus. Wenn Firmen einen solchen Jugendlichen einstellen, bekommen sie vom Staat eine Prämie von 4.000 bis 6.000 Euro. Die Opposition hält den Koalitionsplan für überschätzt: "Die Mitnahmeeffekte sind außerordentlich groß", sagt Priska Hinz, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen. "Die Betriebe können auch für die Einstellung gut ausgebildeter Schulabgänger - sogar von Abiturienten - den Bonus erhalten."

Auch Arbeitgeber und Gewerkschaften sind skeptisch, weil der finanzielle Einstellungsanreiz nichts an der schlechten Qualifikation der Jugendlichen ändert.

In Berlin hat die Landesregierung eine ähnliche Prämie im Jahr 2005 wieder abgeschafft - vor allem, weil Firmen den Bonus für Plätze einsteckten, die sie sowieso angeboten hätten. "Die Allgemeinheit der Beitragszahler muss die Kohlen für die Wirtschaft aus dem Feuer holen", lästert die IG-Metallerin Görner. Mit zehn Leitlinien will die Regierung künftig die Misere in den Griff bekommen. Ein Beispiel: Die Ausbildungsreife der Schulabgänger soll mit mehreren Maßnahmen verbessert werden, etwa durch Patenschaften zwischen Firmen und Schulen.

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