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Nur ein Notnagel

Der Bausenator ersetzt keinen Verkehrssenator  ■ K O M M E N T A R

Sie muten allmählich fast schon rührend an, diese immer neuen Versuche der Senatsspitze, der sich dahinschleppenden Verkehrspolitik neuen Schub zu verschaffen. Erst sollte ein neuer Staatssekretär her. Nachdem das schief ging, nimmt die SPD-Spitze nun einen neuen Anlauf und versucht, einen Teil von Wagners Behörde dem Bausenator zu unterstellen - und es ist ihr sehr zu wünschen, daß sie erneut auf der Nase landen möge.

Keine Frage: Mehr Tatkraft kann der Westberliner Verkehrspolitik nicht schaden. „Die doppelte Nullösung“ - so qualifizieren böse Zungen die jetzige Besetzung des Verkehrsressorts mit Senator Horst Wagner und seinem Staatssekretär Gerhard Schneider. Auch die Kollegen in anderen Behörden höhnen: Die Verkehrsverwaltung, von der seit dem 9. November auf allen Feldern neue Konzepte erwartet werden, arbeite bestenfalls mit „Tempo 30“.

Bei Bausenator Nagel rechnet man mit einer flotteren Gangart. Die Frage ist nur: In welche Richtung? Wenn es darum geht, sich mit Planungsvorschlägen in die Zeitungsspalten zu hieven, ist Nagels Leistung zwar unbestritten. Doch leider waren des Bausenators Vorschläge in der Regel ebenso rasch vergilbt wie das Zeitungspapier, auf denen sie zu lesen waren. Und Nagels Vorstöße für eine neue Autobahn in Neukölln oder für den Weiterbau der U-Bahn ins Märkische Viertel verdienen eigentlich nur eins: eine Ehrenplakette für besondere Verdienste um die Förderung der Berliner Tiefbauwirtschaft.

Das klügste wäre es, die Bahnplanung nicht in die Baubehörde abzuschieben, sondern dem Stadtentwicklungsressort zuzuschlagen. Gerade die Planung von Wohn- und Gewerbevierteln sollte tunlichst mit den Plänen für den Straßen- und Bahnbau koordiniert werden. Doch die Koalitionsarithmetik erlaubt keinen Machtzuwachs für eine AL-geführte Behörde. Und auch der Austausch des erwiesenermaßen überlasteten Verkehrssenators kommt deshalb offenbar nicht in Frage. Trotzdem: Die Berliner Verkehrspolitik hat mehr verdient als nur einen Notnagel.

Hans-Martin Tillack

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