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Nur die Miete bleibt steuerfrei

Die Haushalte mit mittleren Einkommen werden von der Umsatzsteuer am härtesten getroffen: Mehr als sieben Prozent des Verdienstes fließen in die öffentlichen Haushaltskassen  ■ Aus Berlin Annette Jensen

Carla F. legt eine Flasche Landwein in ihren Einkaufswagen: „Immerhin bekommt Theo Waigel dafür keine Alkoholsteuer“, denkt die Volkswirtschaftsstudentin befriedigt. Schließlich ist Wein seit jeher in Deutschland sondersteuerfrei, hat sie in der letzten Vorlesung gelernt.

Aber später an der Supermarktkasse wird Carla F. dafür, genau wie für ihr Paket Toilettenpapier, die Seife und Hautcreme 15 Prozent Umsatzsteuer abliefern. Bei Butter, Käse, Kartoffelchips und Brot werden dagegen, wie für alle Lebensmittel, nur sieben Prozent fällig.

Knapp 1.000 Mark hat Carla F. im Monat zur Verfügung. Weil der Scheck ihres Vaters nicht ausreicht, betreut sie das Kleinkind der Familie B.. Als sie dieses mal zum Babysitten kommt, schläft der junge schon. So kann sich Carla F. genüßlich ihre Zeitungs- und Buchlektüre hingeben. „Im Land der Dichter und Denker werden diese Dinge immerhin nur mit sieben Prozent belastet“, weiß die junge Frau.

Die B.s warten derweil an der Kinokasse. Auch im Preis für die Tickets sind sieben Prozent Umsatzsteuer enthalten. Na, die könnten sich auch höhere Steuersätze leisten, denkt Carla F. voll Sozialneid. Familie B. bekommt schließlich Monat für Monat gut 10.000 Mark aufs Konto.

Aber gerade wir Besserverdienenden dürfen Theo Waigel nie aus den Augen lassen, predigt Helga B. beständig. Deshalb hat sie die Steuersätze beim anschließenden Kneipenbesuch auch genau im Kopf. Zunächst wird Biersteuer fällig. Im Preis für jeden Liter Kölsch oder Pils sind 17 Pfennig dafür versteckt – die 15-prozentige Umsatzsteuer noch gar nicht mitgerechnet. Und weil Willy B. ein Fan von Bockbier ist, wird die Sache sogar noch teurer: Knapp 25 Pfennig je Liter fließen als Biersteuer in die Kassen der Landesfinanzminister. Der Hochprozentige zum Abschluß des Abends freut dagegen wieder Theo Waigel ganz besonders und verärgert Helga B. entsprechend: 2.550 Mark nimmt der Bundesfinanzminister für jeden Hektoliter (100 Liter) reinen Alkohol ein.

Helga B. tröstet sich damit, daß ihr Gatte beim Rauchen relativ preisgünstig wegkommt, weil er nur Zigarren und Zigarillos konsumiert. Nur fünf Prozent Tabaksteuer kommen zur Mehrwertsteuer hinzu und gehen an die Bundeskasse. Die Tabaksteuer für Zigaretten belastet die Haushaltskassen dagegen nicht nur mit 8,3 Pfennig pro Stück sondern auch mit fast 25 Prozent des Kleinverkaufspreises. Und obendrauf kommen dann noch einmal 15 Prozent Mehrwertsteuer – ein wahres Feuerwerk an staatlichen Abgaben auf die kleinen Glimmstengel.

Eine weitere Verbrauchssteuer verschlankt das Portemonnaie der B.s auf dem Heimweg an der Tankstelle. Für jeden Liter Bleifrei zeigt die Zapfsäule 1,57 Mark an. „Und der Theo greift sich davon allein 98 Pfennig als Mineralösteuer ab“, ereifert sich Helga B. Die Umsatzsteuer schlägt zusätzlich noch einmal mit etwa zwei Groschen zu Buche. Bei Diesel sind die Bonner vergleichsweise zurückhaltend; nur 62 Pfennig Mineralösteuer kostet jeder Liter.

Am Ende des Monats ist Studentin Carla F. vollständig abgebrannt. Sie mußte sich sogar noch ein bißchen Geld zusätzlich von ihrem Vater pumpen, um über die letzten Tage zu kommen. Damit ist Carla F. eine typische Vertreterin ihrer Einkommensgruppe. Die Konsumquote bei Haushalten mit weniger als 1.000 Mark Monatseinkommen liegt bei 102 Prozent. An Sparen ist da nicht zu denken – im Gegenteil. Etwa 6,8 Prozent hat Carla F. bei ihren Einkäufen indirekt an die Finanzminister überwiesen. Nur weil Miete steuerfrei ist, war es nicht noch mehr.

Familie B. dagegen ist in der Lage, fast die Hälfte ihres Geldes für Wertpapiere und einen Bausparvertrag anzulegen. Nur 53 Prozent ihres Einkommens geht für den Konsum drauf. Trotzdem ärgert sich Helga B., weil sie Theo Waigel und seinen Länderkollegen 4,9 Prozent ihres Monatseinkommens als Verbrauchs- und Umsatzsteuer hat überlassen müssen. Immerhin hat sie dafür jetzt aber einen schönen Sessel in ihrem Wohnzimmer und auch die Videoanlage ist neu, während Carla F. ihr ganzes Geld für ein Zimmer im Studentenwohnheim, Lebensmittel und alltägliche Verbrauchsgüter ausgeben mußte.

Umsatzsteuermäßig am härtesten getroffen aber ist Franziska G., die in der Nachbarschaft der B.s wohnt. Von den verfügbaren 3.000 Mark im Monat gehen durchschnittlich 7,3 Prozent aus ihrer privaten in die öffentliche Haushaltskasse. Der Grund: In Franziska G.s Einkommensgruppe ist der Anteil von Produkten mit 15prozentigem Umsatzsteuersatz besonders hoch. Die steuerfreie Miete frißt keinen so hohen Anteil auf wie bei Carla F. und auch niedriger besteuerte Nahrungsmittel sind weniger relevant. Dafür will sich Franziska G. öfter mal ein schönes Kleid kaufen, und auch der CD-Player soll in ihrem Haushalt nicht fehlen. Nur 12 Prozent ihres Monatseinkommens kann Franziska G. sparen. Bei Leuten, die mehr als 3.000 Mark verdienen, geht dann sowohl die Sparquote deutlich rauf als auch die Mehrwertsteuerquote deutlich runter.

Theo Waigel stehen 56 Prozent der Umsatzsteuer zu, der Rest geht an die Länder. Insgesamt 235 Milliarden Mark flossen im vergangenen Jahr in die öffentlichen Kassen. Die Mineralölsteuer kassiert der Bundesfinanzminister dagegen allein: fast 65 Milliarden Mark. Und die RaucherInnen unterstützten ihn zusätzlich mit etwa 20,6 Milliarden Mark.

Lohn- und Verbrauchssteuer sind die wichtigsten Einnahmequellen der Staatshaushalte. Lächerlich gering ist dagegen die Einkommensteuer der Selbständigen, die gerade einmal 14 Milliarden Mark bringt. Und für Zinsabschlag kommen gerade einmal mickrige 13 Milliarden Mark zusammen. „Mein Sozialneid ist berechtigt“, denkt Carla F., als sie diese Fakten in ihrer Volkswirtschaftsvorlesung hört. „Ein Glück nur, daß mein Wein nicht doppelt kostet.“

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