Berliner Tagebuch: Nur Verrückte...
■ Berlin vor der Befreiung: 29. März 1945
Foto: J. Chaldej/Voller Ernst
Am 28.3. auf Bhf. Ostkreuz ein Arbeiter nach dem Alarm laut: „Nur Verrückte glauben noch an einen Sieg.“
Am gleichen Tag in einem Luftschutzkeller: „Wenn unsere Soldaten so klug wären wie 1918, dann wäre der Krieg schon zu Ende!“ [...]
In der S-Bahn ein Obergefreiter, der für den Abschuß von 2 T 34 mit der Panzerfaust Urlaub erhalten hat. Er äußerte, daß in einigen Tagen im Brückenkopf Danzig-Gotenhafen ein zweites Stalingrad entstehen würde. Tausende von Verwundeten wären noch dort. Und in Danzig, das völlig zerstört sei, lägen die Zivilisten zu Tausenden tot und verwundet. Es wäre sinnlos, jetzt noch weiter zu kämpfen. Er habe seine Pflicht bis jetzt getan. Das zeigten seine Auszeichnungen. Aber was nütze der beste Soldat, wenn er 10 Panzer abschieße, und 30 neue ständen da? [...]
Nach dem Terrorangriff am 28.3. eine Gruppe von Männern in der S-Bahn. Alle waren der Meinung, daß es so nicht mehr lange weitergehen könne. Warum man nicht freiwillig Schluß mache? An irgendwelche neuen Waffen glaube niemand mehr. Hans Dieter Schäfer
„Berlin im Zweiten Weltkrieg“, Piper-Verlag, München-Zürich 1985. Herausgeber: Hans-Dieter Schäfer. Quelle: Berichte der Wehrmacht, die Einzelbeobachtungen und Stimmungsberichte zusammenfassen. Sie waren Ersatz für die im Sommer 1944 eingestellten regelmäßigen „Meldungen aus dem Reich“, die der Wehrmacht und dem Reichspropagandaministerium ein „ungeschminktes und wahrheitsgemäßes Bild“ der Stimmungslage der Bevölkerung liefern sollten.
Recherche: Jürgen Karwelat
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