Nürnberg vs. Bayern München: Ottmar, öffentlich
Nach dem 1:1 zwischen dem 1. FC Nürnberg und Bayern München wird die Nationalmannschaftsbelastung dialektisch einwandfrei durchdiskutiert.
NÜRNBERG taz Unter all den Überlegungen und Gedanken, die in Ottmar Hitzfelds Kopf ihre Bahnen und Kreise ziehen, gibt es ein besonders geltungsbedürftiges Exemplar. Immer wieder drängelt dieser eine Gedanke sich ins Sprachzentrum hinein und wird so zum Teil des öffentlichen Ottmar. Es ist der Gedanke an die drei Titel, die der Trainer des FC Bayern in dieser Saison noch gewinnen kann. So oft spricht Hitzfeld von diesen Titeln, dass jeder, der ihn öfter sieht, weiß, welcher Gedanke damit ganz eng verwandt ist - auch wenn Hitzfeld diesen nicht offen aussprechen würde. Es ist die auch nach dem 1:1 beim 1. FC Nürnberg weiter überaus intakte Hoffnung auf ein jubelumrauschtes Saisonfinale als letztgültige Antwort auf die von Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge eingeleitete Demontage im vergangenen Herbst, die in Hitzfelds frühzeitiger Ankündigung seines Abschieds mündete.
Diese Vorstellung vom Abschied als großer Triumphator ist Hitzfeld so wichtig, dass jeder, der auf dem Weg zu den drei Titeln nicht spurt, wie er es will, mit öffentlicher Bloßstellung und gegebenenfalls auch mit einem Bannstrahl rechnen muss. An diesem Wochenende traf es vor der Partie des FC Bayern beim 1. FC Nürnberg Bastian Schweinsteiger. Es hatte als ausgemacht gegolten, dass Schweinsteiger Hamit Altintop, der wegen eines Mittelfußbruchs wohl bis Saisonende ausfällt, ersetzen würde. Trainer Hitzfeld aber sah das anders. Er beorderte überraschend Philipp Lahm ins rechte Mittelfeld. "Philipp ist ein ähnlicher Typ wie Hamit, spielstark, er kann den Ball halten. Außerdem ist er laufstärker als Basti, der im Länderspiel 90 Minuten geackert hat", begründete Hitzfeld seine Wahl. Erst mit der dritten und letzten Einwechslung in der 73. Minute durfte Schweinsteiger in Nürnberg mittun.
In der Halbzeit dann traf Hitzfelds Zorn über den "müden Kick" Miroslav Klose, der - wie der Rest der Mannschaft - wenig zum Spiel beigetragen hatte. Klose blieb in der Kabine, für ihn kam Lukas Podolski. Kurz zuvor, in der 44. Minute, waren die Gastgeber durch einen spektakulären Distanzschuss von Zvjezdan Misimovic in Führung gegangen. Auf die Frage, ob er mit Klose unzufrieden gewesen sei, antwortete Hitzfeld: "Wenn man in Rückstand gerät, muss man reagieren." Eine interessante Erklärung für einen Wechsel "Angreifer gegen Angreifer".
Nach dem Spiel war dann ein großer Teil der restlichen Feldspielerschar dran. "Die Nationalspieler kamen total übermüdet zurück und haben heute kein Bein auf den Boden bekommen. Ribéry war einer der müdesten Spieler auf dem Platz", schimpfte Hitzfeld. "In der Halbzeit war ich schon sauer, denn beim Länderspiel kann man nicht ein oder zwei Kilometer mehr laufen als bei uns. Das geht nicht, das werde ich vor der Mannschaft klar ansprechen."
Hitzfelds Groll stand im Widerspruch zur Analyse seines Kollegen Thomas von Heesen, der sich zwar auch nach dem siebten Spiel seiner Amtszeit in Nürnberg nicht über einen Sieg freuen durfte, aber dennoch hochzufrieden mit seiner Mannschaft war - obwohl die Lage des Club sich durch Duisburgs Sieg in Bremen weiter verschlechtert hat. "Misimovic hat in der Nationalmannschaft 88 Minuten lang gespielt und heute trotzdem durchgezogen, bis er mit den Kräften völlig am Ende war. Das zeigt mir, dass es richtig war, Spieler, die unter der Woche belastet wurden, zu bringen." Und es zeigt, dass die Leistung der Bayern wohl kaum mit körperlicher, sondern eher mit geistiger Erschöpfung oder auch Selbstgefälligkeit zu erklären war.
Nur ein Feldspieler blieb von Hitzfelds Rundumschlag ausdrücklich ausgenommen. Es war, logischerweise, Lukas Podolski, der in Nürnberg sein erstes Ligator in dieser Saison, sogar das erste seit dem 11. März 2007, erzielte. "Ich freue mich über seine aufsteigende Form. Er hat zuletzt in den meisten Spielen, in denen er eingesetzt wurde, gute Leistungen gezeigt", lobte Hitzfeld. Noch einen Tag vor der Partie war ein Interview erschienen, in dem Podolski über seine Reservistenrolle hinter Luca Toni und Klose klagte: "Ich habe die Nase voll von der Bayern-Bank." Nun sieht seine Zukunft plötzlich positiv aus. Hitzfeld sagte nämlich noch einen Satz: "Lukas ist im Moment auf einer Stufe mit den anderen Stürmern."
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