Notizen aus der Pampa: Nachtboßeln im Dunkeln
Exilierte Leibesübler weiter auf den Spuren sportiver Basis-Tätigkeiten
Pampa (taz) – Gut, dass sich der erfahrene Kollege Lieske durchsetzt: „Eurocity? Unmöglich“, raunt er in Rostock, „zwei Zuschläge kriegen wir im knauserigen taz-Büro nie erstattet.“ Also nur Bummelzüge nach Ostfriesland. Als es gerade dämmert, sehen wir am Bahndamm nahe Wismar eine dick vermummte Gestalt, die ständig mit einem Golfschläger um sich prügelt. „Golf! Grandios! Wie sportiv sich die Menschen hier warm halten“, jubelt Müllender. Wir spüren ein Recherchebedürfnis, ziehen die Notbremse und entsteigen dem Rappelgefährt unter Beschimpfungen des Zugbegleitpersonalobersten („taz-Pack, freches“).
Der Frühsportler erklärt, er sei Uckermärker und übe „für die sommerliche Mückengolf-Saison“. Wir staunen. Es sei halt so: Die liebliche Seenlandschaft seiner Heimat sei auch der Lebensraum für Myriaden von Mücken. Wenn man nun ständig schwungvoll um sich schlage, erwische man immer einige. Danach werde man zwar noch genau so zerstochen, wisse aber wenigstens, von welchen Mücken nicht. „Könner bringen es auf mehrere zehntausend tote Mücken pro Saison.“ Wir sind uneins in der Bewertung. Skeptiker Lieske: „Unfug.“ Müllender, selbst ambitionierter Schlägerschwinger (zuletzt Handicap 22), euphorisch: „Großartig! So wird Golf endlich eine echte Volkssportbewegung.“ – „Zählen 22 Mückenstiche auch als Handicap?“, fragt der böse Lieske. Wir beschließen, über Mückengolf im Sommer eine aufrüttelnde Reportage zu verfassen.
Acht Stunden später, es dämmert schon rückwärts, Ankunft in Ostfriesland. Die Saison der Kuhfladen-Totowetten hat Pause, was wir bedauern, aber zwischen Dornumergrode und Neßmersiel gegenüber der Störtebekerstraße steht in der längsten Nacht des Jahres das Friesenchampionat im Mitternachtboßeln an: Kugeln („Klooten“) sind möglichst weit „zu flüchten und zu trüllen“.
Bei Doornkaat und Eeiieergroog zittern wir dem großen Wettkampf (mit Weltrekordler Stefan Albarus!) entgegen. Da wird das Turnier „wegen unerwarteter Dunkelheit“ abgesagt. „Wat’n Schiieet“, mundartelt Lieske regiontypisch. Doch die Hoffnung stirbt nie: Die Veranstalter teilen mit, es 24 Stunden später noch einmal zu versuchen. Man erwarte „mehr Glück mit der Sicht“.
Clevere, unermüdliche Ostfriesen. Kann das klappen? Skepsis überwiegt. Ausharren oder weiter reisen? müll/Matti
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