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Notbremse gezogen

■ Bausenator will keine weiteren Verkäufe von städtischen Wohnungen / „Nicht länger das Dauersparschwein“

Mit Bausenator Wolfgang Nagel soll es keine weiteren Verkäufe städtischer Wohnungen geben. Nach dem Umwandlungspoker von landeseigenen Wohnungen in Privatquartiere, bei dem der Bausenator selbst kräftig mitgemischt hatte, tritt dieser nun die Bremse. Für die Wohnungsversorgung unterer und mittlerer Einkommensgruppen sei ein umfangreicher Bestand landeseigener Wohnungen „unverzichtbar“, sagte Nagel gestern anläßlich der Fusion der Wohnungsbaugesellschaften Pankow und GeSoBau. Rund 25 Prozent der gesamten Berliner Wohnungen sollen darum langfristig im Besitz der städtischen Wohnungsbaugesellschaften bleiben. Nur so könne eine „sozial orientierte Wohnungsversorgung garantiert und ein „dämpfender Einfluß“ auf die Mietenentwicklung genommen werden.

Den Schuldigen sieht Nagel nicht im eigenen Lager, sondern in der Finanzverwaltung: „Städtische Wohnungsbaugesellschaften sind nicht länger das Dauersparschwein des Finanzsenators“, so der Bausenator. Der Senat hatte noch vor der Sommerpause in seinem Sparhaushalt 1995/96 beschlossen, über 30.000 städtische Wohnungen im Westteil Berlins „vorrangig“ den Mietern zum Kauf anzubieten, um dadurch die öffentlichen Kassen zu füllen und die Kapitaldecke der Gesellschaften zu verbessern. Zusätzlich werden im Ostteil 15 Prozent der landeseigenen Wohnungen aufgrund der Bestimmungen des Altschuldenhilfegesetzes privatisiert. Die Berliner Luft im sozialen Wohnungsmarkthimmel wird außerdem verdünnt durch das Auslaufen der Preis- und Belegungsbindungen. So verfügen die 19 großen Wohnungsbaugesellschaften derzeit zwar noch über 590.000 Wohnungen. Im Jahr 2000 werden es aber nur noch 443.000 sein.

Für das mangelnde Rückgrat bei den Sparorgien des Finanzsenators war Nagel von Hartmut Vetter vom Berliner Mieterverein kritisiert worden, der die Privatisierungswelle als „Wende in der Wohnungspolitik“ und deren Akzeptanz als den Verzicht auf wohnungspolitische Einflußnahme charakterisiert hatte.

Um die Schlagkräftigkeit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu steigern, will Nagel diese in den kommenden Jahren neu strukturieren. Durch Zusammenlegung sollen die Wirtschaftlichkeit verbessert und die Kapitaldecke der Gesellschaften erhöht werden. Vorreiterrollen übernehmen dabei die Wohnungsbaugesellschaft Pankow und die Reinickendorfer GeSoBau, die am Wochenende fusionierten. Damit werde der kapitalschwächeren Gesellschaft ermöglicht, Sanierungen und Modernisierungsmaßnahmen schneller durchzuführen, sagte Rolf Brüning, Chef der GeSoBau. Die GeSoBau bringt 27.000 Wohneinheiten mit in die „Ehe“, Pankow ist mit 15.000 dabei. Der Bestand werde sich in den kommenden Jahren durch Restitutionsansprüche halbieren, sagte Klaus- Jürgen Hertel, Chef der Pankower Gesellschaft. Rolf Lautenschläger

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