■ Ökolumne: Notbremse Von Meike Spitzner
Gegenwärtig werden die Weichen für die Zukunft der Bahn gestellt. Mit der Bahnreform wird zugleich über die künftigen Gestaltungsspielräume für die Schaffung eines ökologischen Verkehrs- und Mobilitätssystems entschieden. Und so wie die Bundesregierung ihre Vorstellungen durchdrückt, die Länder ihre ökologisch sinnvollen Positionen aufgeben, die Kommunen resigniert schweigen und nur eine Handvoll Umweltverbände und Initiativen mit geringen Kräften gegenhalten, wird die Bahn-„Reform“ zum ökologischen- und verkehrsgesellschaftspolitischen Desaster!
Eine Bahnreform ist überfällig, wer will das bestreiten? Lange schon ist sie gefordert worden, gerade aus ökologischer Perspektive. Immer mehr wird frau und mann ins Auto genötigt: nicht nur aufgrund gewachsener Entfernungen, die zurückgelegt werden wollen, sondern auch durch miserable Bahnangebote, Anti- Anschlüsse, zeitraubende Busersatzverkehre und die konsequente Streckenstillegungspolitik der Bahn. Die Bahn hat ihren Kahlschlag selbst betrieben und als Leitbild ihre eigene Reduktion auf eine hochgeschwinde Schrumpfbahn entwickelt – mit Angeboten an im Vergleich zur „Rest“bevölkerung so relevante Bevölkerungs- und Kundengruppen wie geschäftsreisende Herren ...
Das Unternehmen Bahn hat kaum je offensiv gleiche Wettbewerbsbedingungen gegenüber der Straße gefordert und als Rückgrat ökologischer Mobilität erst 1990 das Umweltargument für sich entdeckt. Doch ein vernünftiges Angebot und gleiche Wettbewerbsbedingungen waren genau die zentralen Probleme, denen eine Bahnreform beikommen sollte. Bereits vor zehn Jahren wurden Vorschläge für den Abbau der Wettbewerbsverzerrungen, eine Entschuldung und Dezentralisierung für eine bedarfsgerechte und offensive Bahnpolitik formuliert.
Doch um Dezentralisierung, um Regionalisierung, um nachholende Privilegierungen im Wettbewerb auf der Straße geht es bei dem, was derzeit zwischen Bund und Ländern als Bahnreform beschlossen werden soll, längst nicht mehr. Die ausschließliche Diskussion um die Finanzierung und Unternehmensform ver-Foto: Privat
fehlt das Thema und die Probleme.
– Die Bahn ist ökologisch leistungsfähig, doch wieviel sie ökologisch leisten soll, wird nicht geklärt. Dabei ist der Ausbau der Bahn zur Erreichung des beschlossenen Kohlendioxid-Minderungsziels unabdingbar.
– Die Bahn verfügt über Strecken, die bald wieder interessant sein könnten, doch dafür müßten sie als öffentliches Eigentum erhalten werden.
– Die Bahnreform ist darauf angewiesen, daß Autoverkehr und Laster für die von ihnen verursachten ökologischen Kosten auch zahlen. Die Bahnreform muß unbedingt in eine Politik zur Reduzierung des Straßenverkehrs eingebettet sein.
– Ein besserer Nahverkehr und Umweltverbundnetze auf regionaler Ebene müssen konzipiert sein, bevor die Bahn regionalisiert wird. Dazu gehören vor allen Dingen Verbesserungen wie die Festlegung für Mindestqualitätsstandards für KundInnen im Schienennahverkehr, festgelegt in verbindlichen Landesgesetzen zum öffentlichen Nahverkehr.
Eigentlich ist die Finanzierung des Bahn-Nahverkehrs bis 1996 gesetzlich gesichert. Verhandelt werden müßte über die Kostenübernahme für den Ausbau des Bahnnetzes und für Investitionen, um die mangelnden Anstrengungen der vergangenen Jahrzehnte auszugleichen. Warum sich die Länder in den derzeitigen Verhandlungen mit weniger zufrieden geben, statt mehr zu fordern, ist unverständlich. Was ist jetzt noch zu tun? Die Länder müssen zumindest durchsetzen, daß auch nach 1997 die Finanzpflicht für den Bahnregionalverkehr wieder voll an den Bund fällt, wenn die weitere Finanzierung nicht gesichert ist. Mit dieser Notbremse sichern die Länder ihr Mitspracherecht auch nach den Grundgesetzänderungen für die Bahnreform. Sie schaffen sich damit die Möglichkeit, qualitativ und quantitativ das Angebot zu verlangen, das verkehrspolitisch sinnvoll ist. Bis 1997 wird klar sein, wieviel Geld dafür nötig ist und zur Verfügung gestellt werden muß. Wir können uns ökologisch wie gesellschaftlich keinen weiteren Zwang zum Auto leisten!
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