Norwegen droht Koalitionsende: Krise wegen einer IS-Rückkehrerin
Eine IS-Rückkehrerin löst in Norwegen eine Regierungskrise aus. Das kommt den Abgeordneten der rechten Fortschrittspartei sehr gelegen.
Der norwegische Dschihadist trat wiederholt in IS-Propagandavideos auf. Die Frau zog mit ihm nach Syrien, lebte im „Kalifat“, bekam einen Sohn und heiratete nach Vasquez' Tod 2015 einen anderen Mann, den Vater ihrer Tochter.
Im Herbst 2019 meldete sie sich aus dem Flüchtlingslager al-Hol bei norwegischen Behörden und beantragte ihre Wiedereinreise nach Norwegen. Begründung: Ihr Sohn leide an zystischer Fibrose, einer unheilbaren und lebensbedrohenden Krankheit, die angesichts der katastrophalen Verhältnisse im Lager nicht behandelt werden könne. Hilfsorganisationen appellierten an Oslo, dem Wunsch nachzukommen.
Norwegens Regierung hatte im vergangenen Jahr beschlossen, eine Repatriierung norwegischer Familienmitglieder von IS-Angehörigen nur aktiv zu unterstützen, wenn es sich um Kinder handelte. Zwischenzeitlich wurden deshalb fünf Waisenkinder aus dem Lager al-Hol nach Norwegen zurückgeholt.
Rückkehr aus humanitären Gründen erlaubt
Man hatte auch angeboten, den schwerkranken Fünfjährigen zurückzubringen. Die Mutter wollte ihn aber nicht allein reisen lassen. Am Dienstag erklärte Ministerpräsidentin Erna Solberg, dass man aus humanitären Gründen auch die 29-Jährige mit ihrer Tochter zurückholen werde: „Ich will nicht, dass ein fünf Jahre altes krankes norwegisches Kind in Syrien stirbt.“
Der Regierungsbeschluss wurde von Konservativen, Liberalen und Christdemokraten gegen die Stimmen rechtspopulistischer Kabinettsmitglieder gefasst. Nun stellt die Fortschrittspartei (Frp) die weitere Regierungsmitarbeit infrage.
Die Führung der Partei steht unter Druck, sich entweder in der Regierung stärker zu profilieren oder die Koalition aufzukündigen. Denn die Umfragewerte der Partei haben sich seit der Parlamentswahl 2017, wo sie auf 15,3 Prozent kam, fast halbiert und sind so niedrig wie seit über zwei Jahrzehnten nicht.
Die IS-Rückkehrerin kommt deshalb vielen Abgeordneten wie auch der Parteichefin Siv Jensen wie gerufen. Jon Engen-Helgheim, der migrationspolitischer Sprecher der Partei, sieht jetzt eine „Erhöhung der Terrorgefahr“ in Norwegen. Die Polizei dementiert das und erinnert daran, dass Norwegen bislang vor allem rechtsextremistischen Terror erlitten hat.
Demnächst will die Partei entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen sie in der Regierung bleiben will. Die 29-jährige Rückkehrerin wurde gleich festgenommen und wird am Montag dem Haftrichter vorgeführt. Der Vorwurf lautet auf Unterstützung einer Terrororganisation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos