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■ NormalzeitSommerloch-Gurke für Hartmann

In der letzten Bundestagsdebatte vor der Sommerpause sprach sich der PDS-Abgeordnete Hanns-Peter Hartmann für das „Dienstrechtliche Begleitgesetz“ aus, das heißt für die gewerkschaftlich ausgehandelten „Umzugshilfen“ zugunsten der von Bonn nach Berlin überwechselnden Bundesbediensteten: „Als ehemaliger Betriebsratsvorsitzender befürworte ich einen Tarifabschluß mit diesem Ausmaß an Großmut!“

Selbst in der Bild-Zeitung war zuvor der warme Geldregen für diese kleine, aber feine Bevölkerungsgruppe, die man im Hauptstadtwahn vom Rhein in den Osten schicken will, gegeißelt worden. Freiflüge, Trennungszulagen, Umzugskosten – all das soll ihnen den Wohnortwechsel in die unmittelbare Nähe Polens schmackhaft machen.

Und nun sprach sich auch noch die PDS für diese überflüssigen Privilegien aus, wo doch gerade in ihren Reihen besonders viele alte Staatsdiener „zu Hause“ sind, die man in jungen Jahren gänzlich ohne „Umzugshilfen“ weit über Polen hinaus bis nach Sibirien gar geschickt hatte. Ein Aufschrei ging durch das Neue Deutschland, und Hartmann bekam gepfefferte Wählerbriefe „mit Entsetzen und schwer zu schildernder Empörung“: „Der fürchterliche Verdacht, der mich plagt, besteht darin, daß die Zustimmung auch auf eine bereits anvisierte eigene Nutznießerrolle in bezug auf diese maßlos übertriebenen Umzugsregelungen zurückzuführen ist.“

Andere erinnerte Hartmanns Rede an das widerwärtige feudalistisch anmutende Privilegiensystem der SED. Viele drohten sogar mit Parteiaustritt: „Ich lebe in großer wirtschaftlicher Not, muß um meine Unterstützung kämpfen, und Mitglieder der Partei, die vorgeben, uns ,arme Teufel‘ zu vertreten, bewilligen enorme Gelder für Personen, denen es mehr als gut in diesem, von mir nicht gewünschten Staat geht.“

Selbst die Landesvorsitzende der PDS, Petra Pau, sprach von einem „noch nicht abschätzbaren politischen Schaden“ – sich just in dem Moment für eine Tolerierung der Umzugsregelungen auszusprechen, da in Berlin den Arbeitslosen die verbilligte BVG- Karte abgenommen wurde. Schließlich sah sich der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi gezwungen, textlich einzugreifen: Es sei nicht Aufgabe der PDS, „günstige Tarifabschlüsse zu kritisieren“.

Überall setze sich die PDS „dafür ein, daß die Gewerkschaften engagiert soziale Forderungen von Arbeitern und Angestellten durchsetzen, so daß sie hier nicht eine gegenteilige Position einnehmen kann“.

Hartmann ergänzte später: „Es geht dabei gar nicht um Umzugsgelder für gewählte Regierungsmitglieder, auch nicht in erster Linie um Staatssekretäre und ähnliche Gutverdiener, das sind die wenigsten. Beim Gros handelt es sich um ganz einfache kleine Angestellte – Fahrer, Schreibkräfte, Wachdienstler, die Pinguine, die den Rednern das Glas Wasser aufs Pult stellen usw. Warum sollen wir es ablehnen, ihnen Gutes zukommen zu lassen, zumal das von ÖTV und DAG gegen Kanther ausgehandelt wurde und ich im Personalausschuß sitze, das ist so eine Art Betriebsrat des Bundestages. Also ich habe keine Probleme mit meiner Rede und kann die auch gegenüber der PDS vertreten. Zumal ich noch gesagt habe, daß die Regierung in Zukunft auch Ostlern, die aufgrund der Kahlschlagprivatisierung der Treuhand gezwungen sind, wegen eines Arbeitsplatzes von Frankfurt an der Oder an den Rhein zu ziehen, ähnlich großzügig finanziell unter die Arme greifen soll.“ Helmut Höge

wird fortgesetzt

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