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■ NormalzeitFreie und öffentliche Räume

Auf den Selbständigenkongreß der Ostsenatsverwaltung für Arbeit folgte ein ebenfalls dreitägiger Autonomiekongreß, organisiert von verschiedenen Westkunstprojekten – im „Ahornblatt“ auf der Fischerinsel. Diese Messe „Minus 96. Geld Stadt Tausch“ war eine Fortsetzung der Kölner „Messe20k“, auf der es ebenfalls schon um Selbstorganisation, Nichtkommerzialität und Vernetzung gegangen war.

Abgesehen von den vielen Gruppen, die Zeitschriften herausgeben, diskutierte man zumeist Aktionen und Projekte im öffentlichen Raum, die gegen deren Entmischung – die Vertreibung von nicht primär einkaufsorientierten Randgruppen wie Fixern, Alkoholikern, Obdachlosen und Ausländern – vorgehen. Das reichte von „Kotzen in der Zeil“ (FfM), „Lokal-TV“ (Wien), „Fixer-Halle Zürich“ und der „Reterritorialisierung von Büroräumen“ (München) über eine „Breitscheidplatz-Initiative“ bis zu Wagenburgbewohnerinnen, die um den Erhalt von „Frei-Räumen“ kämpfen. Es galt, fürs nächste Jahr einen konzertierten, aber dezentralen Aktionstag zu planen.

Dies nun biß sich mit dem von Merve-Verlags-Gründerin Lowien entliehenen Messemotto, wonach die Totalität des Wissens nur durch die Zirkulation spezifischer Erfahrungen rekonstruierbar ist – insofern es immer einige Diskutierende gab, denen mehr an den Erzählungen, und andere, denen eher an ihrer (diskursiven) Organisierung gelegen war. Wobei letztere dabei nahe an alte Randgruppenstrategien gerieten, was nun gänzlich ein Erschlagen der Kunst durch das Politische (Denken) bedeutete.

Das machte aber nichts, denn derlei Hin und Her wurde immer wieder unterbrochen von Pausen – mit gutem Bier und prima belegten Broten, neben einem prallen Stand der Buchhandlung „B Books“ (Falckensteinstraße), einem halbfertig gedruckten Reader der letztjährigen Messeleitung sowie einem erfolgreichen Versuch, die Lebensmittelmarken für Asylbewerber durch Verkauf der Waren wieder in Geld für Asylbewerber zu verwandeln. Den vielen Videofilmen schlossen sich Diskussionen über ihre Distribution an. Eine Gruppe aus dem Ruhrgebiet erzählte: Ihr Video zum 1. Mai bestand aus 50 Beiträgen von 50 Initiativen – welche sollte man auswählen? Sie nahmen schließlich alle: „Denn 50 Beiträge bedeuten auch 50 Abspielplätze!“

Sehr schön war auch der Berliner Wagenburgfilm, der zufälligerweise genauso anfing, wie der letztjährige große russische Spielfilm über die Räumung einer GUS-Wagenburg: Die Karawane entschwebt in die Wolken, die Hunde hinterher. Dabei war hier wie dort klar: Die meisten haben mit der Kunstproduktion aufgehört – im Sinne von „ein Produkt herstellen, das man verkauft“. Wie kann daraus nun eine gesellschaftliche Kraft entstehen? Früher haben solche Leute eine „Produzentengalerie“ eröffnet, heute geht es um die „Selbstorganisation“, um darin sinnvolle Arbeit machen zu können. Fast gänzlich ausgespart blieb dabei der immer unbefriedigender werdende Nebenjobaspekt. Sieht man mal ab von solch sicher auch kommerziell gelungenen Zeitungen wie den Frankfurter Nachtexpreß, der alle Nachtaspekte im Zusammenhang einer Kritik der politischen Ökonomie diskutiert, oder der Zeitung des Kreuzberger Tauschrings „Straßenkreuzer“, mit der die Frage „Gibt es einen Ausweg aus der Mitarbeitsmisere – zwischen taz und Zweite Hand etwa?“ praktisch beantwortet wird.

Für die angedrohte konzertierte Aktion im öffentlichen Raum will man eventuell auf die Obdachlosenzeitungen zurückgreifen. Übrigens war kein einziges Ostprojekt anwesend, außer in einem Film über die Walpurgisnacht-Initiative am Kollwitzplatz – über deren gescheitertes Sicherheitspartnerschaftskonzept mit der Polizei die Westautonomen herzlich lachten. Helmut Höge

wird fortgesetzt

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