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■ NormalzeitEin Platz in den „Pärken“

Der „Freizeitpark“ des 1979 entstandenen Großbezirks Marzahn wird gerade erweitert: mit einem 2,5 Hektar großen chinesischen „Garten des wiedergewonnenen Mondes“. Dieser wird teilweise von Berlins Partnerstadt Peking finanziert und geplant vom dortigen „Institut für klassische Gartengestaltung“. Im Katalog sind die chinesischen Maurer und Tischler sowie Felsenarrangeure namentlich aufgeführt. Eingefädelt hat dies alles der Filmproduzent und Ostasien-Enthusiast Manfred Durniok.

Der Park wird in seiner ganzen Länge von zwei Überlandleitungen durchquert. Das paßt zum proletarischen Charme der antibürgerlichen Anlage, in der man selbst kleinste historisierende Ensembles handwerklich didaktisierte. Dieser jüngste Park Ostberlins wird jetzt zusammen mit der 1987 anläßlich der „B-750“ entstandenen Bundesgartenschau „Britzer Park“ vermarktet. Weil die Bäume alle noch sehr klein sind, hat man besonderen Wert auf Blumenbeete gelegt. Diese haben ebenfalls pädagogischen Wert. So gibt es z.B. Balkonkulturen, von denen die Anwohner sich inspirieren lassen können, und wahre Dalien- sowie Cosmea- und Verbenen-Dschungel, die kühnste Datschen- Träume vorwegnehmen.

Auf dem ehemaligen Trümmerberg „Marzahner Ausblick“ sieht man immer wieder Männer, die Frauen etwas zeigen: Man ist hier stolz auf den Neubaubezirk ringsum – und wollte deswegen keine Illusions-Blickachsen wie im Lennéschen Tiergarten (auf Schloß, Denkmal, wasserspielende Nixen) oder in „Preußens Arkadien“ – rund um die Pfaueninsel. Eine Synthese hierzu stellt die Tierpark-Anlage dar, in die eine berühmte kommunistische Gartenplanerin den Schloßpark Friedrichsfelde integrierte. Tausende von Menschen leisteten Millionen „Aufbaustunden“ zwischen 1955 bis 1970 für den Tierpark, ebenso später im Marzahner Freizeitpark. Deswegen bewegen sich die Leute darin jetzt anders als etwa im Wilmersdorfer Volkspark oder in der Neuköllner Hasenheide: selbstverständlicher, aber zugleich auch umsichtiger (fast paradox). Anders als dort sind die Besucher im Partnerlook hier keine Pärchen, sondern Kinder mit einem Elternteil. Alleinerziehende Mütter mit ihren außer Haus lebenden Töchtern gehen z.B. am „Muttitag“ in den Park – und genießen es, noch für Geschwister gehalten zu werden. Sie zwicken sich gegenseitig in ihre Jeans-Hintern.

In dem für 175.000 Jungverheiratete erbauten Bezirk leben jetzt die meisten Rußlanddeutschen: 12.000. Einige, schon älter, sammeln beim Spaziergang Beeren in Plastiktüten. Proletarisch ist auch die Selbstverständlichkeit, mit der schnöde Imbißbuden – am Tage der offenen Tür etwa – auf die Parkwege geschoben werden. Eine Band spielt Country-Musik, die Polizei gibt Verkehrsunterricht, und die Feuerwehr organisiert Spritzspiele. An einem Bus steht „Mit der BSR sind Sie immer auf der sauberen Seite“. Das braucht man den Marzahnern nicht zweimal zu sagen.

Übrigens gibt es dort auch die meisten Vietnamesen. Deren zwei Riesen-Markthallen (Rhinstraße 100 und 139) sind – für uns – innen ebenfalls wie Parkanlagen strukturiert, die Beete sind hier bunte Warenstapel.

Weitgehend ignoriert von der „Hauptstadtpresse“, fand gerade ein großes Fest in Kreuzberg statt, mit dem die endgültige Fertigstellung des Parks „Görlitzer Bahnhof“ gefeiert wurde. Seit 1986 verbauten die grün-alternativen Planer dort 48 Millionen Mark, ihre Krönung – die „Pamukkale“, eine riesige türkische Wasserterrassenanlage – kostete allein 3,8 Millionen Mark, sie wälzt stündlich 90 Kubikmeter Wasser um. Der Park war „die größte und wichtigste Landschaftsbaumaßnahme der letzten 100 Jahre in Kreuzberg“, schreibt der grüne Bezirksbürgermeister im Katalog. Anfangs mußten die strengen Konzeptionäre viel Kritik einstecken, z.B. beim Verlegen der Weideflächen des Kinderbauernhofs, aber inzwischen hat sich gezeigt, daß der Park mehr als gelungen ist. Es lohnt sich, sommersonntags dort spazierenzugehen.

Über eine Brücke schließt er fast nahtlos an den (nachwendischen) Lohmühlenpark mit dem Hallen-Trödelmarkt und sodann an den (sozialistischen) Treptower Park mit seiner „Insel der Jugend“ und dem „Sowjetischen Ehrenmal“ an. Schon allein der Kontrast im Nackt-Parkverhalten der Freizeit-Kreuzberger und der -Treptower ist reizvoll. Helmut Höge

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