■ Nordirlands Unionisten stimmen mehrheitlich für das Abkommen: Störanfälliger Frieden
Sie können also doch lesen. Nordirlands Unionisten haben gemerkt, daß sie beim Belfaster Abkommen überaus günstig wegkommen. 72 Prozent von ihnen unterstützten deshalb den Deal und den Unionistenchef David Trimble. Der sitzt fester im Sattel denn je, auch wenn die Hälfte seiner zehn Unterhaus- Abgeordneten gegen ihn ist. Wenn die sich heute tatsächlich dem rechtsextremen Pfaffen Ian Paisley in seinem Kampf gegen das Abkommen anschließen, wie einige angekündigt haben, sind sie erledigt. Paisleys Stammtischpolitik, das haben Umfragen gezeigt, stößt auf immer weniger Resonanz.
Wenn Trimbles Position ungefährdet ist, so gilt das noch lange nicht für das Abkommen. Das hat nur eine Chance, wenn Trimble seine neu gewonnene Stärke nutzt, um echte Kompromisse gegen unionistischen Widerstand durchzusetzen. Einen ersten Schritt hat er möglicherweise bereits getan: Am Wochenende modifizierte er seine Versicherung, niemals mit Sinn Féin am Kabinettstisch Platz zu nehmen, solange die IRA noch eine Patrone besitze. Nun sagt er, daß ihm „andere deutliche Signale“ reichen würden, um an die Dauerhaftigkeit des Waffenstillstands zu glauben.
Damit das Abkommen die erhoffte Dynamik entwickeln kann, sind weitere Schritte notwendig: Die gesamtirischen Institutionen müssen ausgeweitet werden, die nordirische Polizei muß von Grund auf reformiert werden. Im unionistischen Lager lassen sich diese Dinge nur von jemandem durchsetzen, der sich in der Vergangenheit als Hardliner profiliert und den militanten Flügel zum großen Teil hinter sich hat. Die Demonstration der ehemaligen Paramilitärs für Trimble zeigte am Samstag, daß die Gelegenheit für ihn günstig ist.
Aber hat er auch den Mut zum Risiko? Trimble ist Parteichef geworden, weil er vor drei Jahren dabei war, als die protestantische Parade durch das katholische Wohnviertel von Portadown gewaltsam durchgesetzt worden ist. In einem Vierteljahr ist Trimble höchstwahrscheinlich nordirischer Premierminister und muß eben diese Parade verhindern, sollen die katholischen Sozialdemokraten und Sinn Féin an Bord bleiben. Für den Sinn-Féin-Präsidenten Gerry Adams ist die Sache durch Trimbles Sieg nicht leichter geworden. Trimble gewann, weil seine Leute ihm glaubten, daß die Union Nordirlands mit Großbritannien aus dem Abkommen gestärkt hervorgehe. Adams versuchte auf dem Sinn-Féin-Parteitag in Dublin, den Delegierten das Gegenteil weiszumachen. Aber die können auch lesen. Ralf Sotscheck
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