Nord-Ostsee-Kanal: Der Kanal ist kein Denkmal nicht
Der Bund verklagt das Land Schleswig-Holstein, weil dieses Teile der weltweit wichtigsten Wasserstraße unter Denkmalschutz stellt. Das Bundesverkehrsministerium aber will den Kanal ausbauen
Mit einer "Nacht- und Nebelaktion" habe der Konflikt begonnen - so zumindest sieht es Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Der Regierungschef ärgert sich darüber, dass das Wasser- und Schifffahrtsamt, eine Einrichtung des Bundes, sich nicht um die Denkmalschutzauflagen des Landes kümmerte. Das Amt ließ zwei denkmalgeschützte Türme an der Brunsbütteler Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals abreißen. Am kommenden Donnerstag verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über den Konflikt. Denn dort klagt das Bundesverkehrsministerium gegen den vom Landesamt für Denkmalpflege verfügten Denkmalschutz.
Das Objekt, an dem dieser grundsätzliche Streit ausgetragen wird, ist prominent: Der Nord-Ostsee-Kanal ist die am stärksten befahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Wegen des boomenden Handels im Ostseeraum drängen sich von Jahr zu Jahr mehr Schiffe in der Fahrrinne. Im vorigen Jahr wurden mehr als 43.000 Berufsschiffe gezählt - mehr als auf dem Panama- und Suezkanal zusammen. Im Mai kündigte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) deshalb an, der Kanal solle für 420 Millionen Euro ausgebaut und vertieft werden (siehe Kasten). "Wir setzen damit ein Zeichen für die deutschen Seehäfen an Nord- und Ostsee", sagte Tiefensee: "Wir stärken die Wettbewerbsfähigkeit der Schifffahrt in Deutschland und weltweit."
Dass der rund 100 Kilometer lange Kanal quer durch Schleswig-Holstein den heutigen Anforderungen nicht gerecht wird, ist kein Wunder, stammt er doch aus Kaiser Wilhelms Zeiten und hieß zunächst auch so: Kaiser-Wilhelm-Kanal. Er gilt als technisches Denkmal von Rang. Einzelne Teile, wie die Rendsburger Eisenbahn-Hochbrücke samt der darunter hängenden Schwebefähre, sind schon lange geschützt.
Auch der Pegelturm und der Wasserturm an der Brunsbütteler Schleuse, die das Wasser- und Schifffahrtsamt im vergangenen Jahr abreißen ließ, seien wegen ihres künstlerischen und geschichtlichen Werts unter Schutz gestellt worden, sagt der Chef des Landesamtes für Denkmalpflege, Michael Paarmann. Die beiden Türme, um 1900 gebaut, hätten "zum ältesten baulichen Bestand der Schleusenanlage" gehört. Genützt hat es ihnen nichts.
Mehr noch: Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wehrt sich dagegen, dass die Denkmalschützer des Landes überhaupt Teile der bundeseigenen Schleuse unter Schutz gestellt haben. Laut Gericht will der Bund die Schleuse sanieren oder verändern dürfen, ohne vorher die Erlaubnis der Landesdenkmalpfleger einzuholen. Die Bundeswasserstraßenverwaltung müsse zwar den Denkmalschutz berücksichtigen, Landesbehörden hätten aber bei Bundeswasserstraßen nebst Zubehör nichts zu melden.
Bei dem Konflikt gehe es mitnichten darum, dass das Landesamt für Denkmalpflege den Ausbau des Kanals blockieren will, versicherte Landeskonservator Paarmann. "Der Prozess dreht sich ausschließlich um die Frage, ob das Denkmalschutzgesetz des Landes auf Bundesliegenschaften angewendet werden kann", sagt er. Für den Konservator ist der Fall klar: Die Kulturhoheit liege bei den Ländern, also auch die Verantwortung für den Denkmalschutz. Der Bund müsse sich also mit den Denkmalpflegern des Landes auseinander setzen. Wie es zu erreichen sei, dass der Kanalausbau trotz des Denkmalschutzes nicht behindert wird, wäre dann Gegenstand üblicher behördlicher Abstimmungsverfahren.
Die Kieler Industrie- und Handelskammer (IHK) befürchtet bereits, der geplante Ausbau des Kanals könnte sich durch den Rechtsstreit verzögern. Hauptgeschäftsführer Jörn Biel warnt vor den "unabsehbaren Folgen" eines langen Prozesses. "Es ist eine Posse, die sich da anbahnt", sagt er dem Fachblatt Verkehrsrundschau. Er hoffe sehr auf eine einvernehmliche Lösung.
Nach Ansicht des parlamentarischen Geschäftsführers der FDP-Landtagsfraktion, Ekkehard Klug, könnte sie so aussehen: Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung verzichtet künftig auf Nacht- und Nebel-Aktionen. Im Gegenzug soll das Land nicht auf seinem Genehmigungsvorbehalt beharren. Der Nord-Ostsee-Kanal könne, so findet Klug, "nicht wie ein Museumskanal behandelt werden".
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