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Noch keine Regelung für Sarajevo

■ Detailbestimmungen des bosnisch-kroatischen Abkommens

Washington/Genf (taz) – Nach viertägigen Verhandlungen unter Vermittlung der Clinton-Administration haben der bosnische Premierminister Haris Silajdzić und der Vertreter der bosnischen Kroaten, Kresimir Zubak, ein Rahmenabkommen über eine bosnisch-kroatische Föderation unterschrieben. Eine zweite, auch vom kroatischen Außenminiser Mate Granić unterzeichnete Vereinbarung sieht die Bildung einer Konföderation zwischen dem neuen Staat und Kroatien vor. Bei morgen in Wien beginnenden Verhandlungen wollen die drei Seiten bis zum 15. März eine Einigung in den noch offenen Detailfragen erzielen.

Das Washingtoner Abkommen sieht vor, daß die „überwiegend von Muslimen oder von Kroaten“ bewohnten Gebiete Bosnien-Herzegowinas den in fünf bis acht autonome Kantone untergliederten Staat bilden. Laut der den Verhandlungen zugrunde gelegten letzten Volkszählung von 1981 leben in diesen Gebieten rund doppelt so viele Muslime wie Kroaten. In der im Abkommen festgeschriebenen Zentralregierung ist den Kroaten daher mindestens ein Drittel aller Kabinettsposten garantiert. Die Stellvertreter des Regierungschefs und der Minister sollen jeweils von der anderen Volksgruppe gestellt werden.

Für das Amt des Präsidenten und seines Stellvertreters ist eine jährliche Rotation zwischen Kroaten und Muslimen vorgesehen. Bestimmt werden sie von einem aus zwei Kammern bestehenden Parlament. Alle BürgerInnen des neuen Staates wählen die erste Kammer. In der zweiten Kammer sollen die Kantone so vertreten sein, daß die Kroaten nicht majorisiert werden können. Die Zentralregierung ist zuständig für Außenpolitik, Handel und Verteidigung. Die Kantone haben die Kompetenzen für die Polizei, für Kultur, Sozialwesen, Bildung und den Rundfunk.

Vereinbart wurde in Washington auch die Zusammenlegung aller militärischen Verbände unter einem gemeinsamen Oberkommando. In der Konföderation des neuen Staates mit Kroatien ist eine „Koordination der Verteidigungspolitik“ beabsichtigt mit gemeinsamen Kommandostäben im Falle eines Krieges. Alle ausländischen Streitkräfte, die sich gegen den Willen der Regierung oder der UNO in Bosnien aufhalten, sollen das Land verlassen. Insbesondere diese militärpolitischen Passagen, deren Details in Wien noch ausgehandelt werden müssen, dürften die bosnischen Serben als Indiz für eine gegen sie gerichtete „Militärallianz“ werten.

Die seit Beginn des Krieges zwischen bosnischer Regierungsarmee und kroatischen Milizen im April 93 bitter umkämpfte westherzegowinische Stadt Mostar soll für eine Übergangsphase von zwei Jahren unter Verwaltung der Europäischen Union gestellt werden.

Durch die beabsichtigte Konföderation mit Kroatien wäre auch die Frage eines Landzugangs für die Muslime zur Adria erledigt. Dies war einer der Hauptstreitpunkte der von UNO und EU auf Grundlage eines Dreiteilungsplans für Bosnien geführten Genfer Verhandlungen. Nach der Washingtoner Vereinbarung soll der kroatisch-muslimische Föderationsstaat freien Zugang zum kroatischen Adriahafen Ploce erhalten und Kroatien freien Durchgang durch den bis zum Adriaort Neum reichenden bosnischen Landzipfel.

Die Washingtoner Vereinbarung enthält keine genaue Karte oder eine Größenangabe für den geplanten muslimisch-kroatischen Föderationsstaat. Inoffiziell war jedoch – auch von seiten der US- Vermittler – von 51,6 Prozent der derzeitigen Staatsfläche Bosnien- Herzegowinas die Rede. Derzeit kontrollieren bosnische Regierungsarmee und kroatische Milizen allerdings nur ein knappes Drittel des Territoriums, während die bosnischen Serben knapp 70 Prozent besetzt halten.

Konkretisierungen wurden bisher vermieden, weil es zum einen noch Differenzen zwischen Kroaten und Muslimen über die genauen Kantonsgrenzen, die in Wien ausgeräumt werden sollen, gibt. Zum anderen will aber vor allem die Clinton-Administration vorerst den Eindruck aufrechterhalten, die Washingtoner Föderationsvereinbarung sei auch ein Angebot an die Serben, sich daran zu beteiligen. Die meisten Beobachter der nunmehr fast zweijährigen Bosnien-Verhandlungen gehen jedoch davon aus, daß die Serben auch weiter auf ihrer bereits ausgerufenen eigenen Republik bestehen und diese mittelfristig an Serbien angliedern wollen.

Bestätigt sich diese Einschätzung, wird die Frage, ob die serbische Hochburg Banja Luka in Nordbosnien und die drei derzeit von serbischen Truppen belagerten muslimischen Enklaven Srebenica, Zepa und Goražde in Ostbosnien zu der künftigen muslimisch- kroatischen Föderation oder zur serbischen Republik in Bosnien gehören sollen, noch schwieriger zu lösen sein, als wenn die Serben das Angebot zur Teilnahme an der Föderation annehmen sollten. Auch eine Regelung für Sarajevo, die in dem Abkommen nicht erwähnt wird und auf die die Serben zumindest einen Teilanspruch erheben, dürfte noch erhebliche Probleme bereiten.

Die jetzt in Washington erzielten Vereinbarungen sind Ergebnis intensiver diplomatische Bemühungen vor allem der USA seit Anfang dieses Jahres. Durch eine Kombination von Sanktionsdrohungen und Hilfszusagen für den Fall der Kooperation konnte Washington gemeinsam mit der Türkei, Deutschland und dem Vatikan den kroatischen Präsidenten Tudjman schließlich für das neue Lösungsmodell gewinnen. Andreas Zumach

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