Nobelpreis für Chemie: Von der Natur lernen
Drei Forscher*innen teilen sich den diesjährigen Chemie-Nobelpreis. Ihre Arbeit beschäftigt sich mit der Veränderbarkeit von Molekülen.
Perfekter als die diesjährigen TrägerInnen des Nobelpreises für Chemie könne man den letzten Willen Alfred Nobels eigentlich kaum erfüllen, meint Göran K. Hansson, ständiger Sekretär der schwedischen Königlichen Wissenschaftsakademie. Der Stifter wollte, dass mit ihm die Wissenschaftler geehrt werden, die „der Menschheit den größten Nutzen“ erbracht haben. Und betrachte man die Forschungsergebnisse, mit deren Hilfe man nun Biokraftstoffe herstellen oder Arzneimittel zur Behandlung chronischer Krankheiten entwickeln könne, dann erfülle das zweifelsohne das Kriterium.
Eine solche chronische Krankheit ist rheumatoide Arthritis, eine der häufigsten entzündlichen Erkrankungen der Gelenke. Eine Autoimmunerkrankung, deren Ursache eine überaktive Reaktion des Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe ist. Und vor rund 15 Jahren wurde das Antikörper-Medikament Adalimumab zu deren Behandlung, aber auch für die chronisch entzündlicher Darmerkrankungen oder der Schuppenflechte zugänglich. Andere solche Medikamente gibt es für die Immuntherapie gegen Krebs – eine Entwicklung, für die der diesjährige Medizinnobelpreis vergeben wurde.
Diese Medikamente gründen auf Forschungsergebnissen, für die der US-Amerikaner George Smith und der Brite Gregory Winter jetzt die eine Hälfte des mit insgesamt 9 Millionen Kronen (ca. 870.000 Euro) dotierten Chemienobelpreises erhalten. Smith hatte Mitte der 1980er Jahre mit dem „Phagen-Display“ eine biotechnologische Methode entwickelt, um zu Genen gehörende Proteine zu finden und neue zu entwickeln. Der britische Molekularforscher Gregory Winter bediente sich der Methode von Smith, um solche Antikörper herauszufiltern und genetisch zu verändern, die sich optimal an Krankheitserreger oder kranke Zellen binden. Eine Voraussetzung, um dann neue Arzneimittel herstellen zu können.
Smith und Winter hätten sich die „Kraft der Evolution“ zunutze gemacht, betonte Claes Gustafsson, Vorsitzender des Nobelkomitees für Chemie. Sie hätten im Prinzip das nachgebildet, was in der Natur ständig geschieht, nämlich dass Moleküle sich modifizieren. Im Labor sei es möglich, diesen Evolutionsprozess „vieltausendfach schneller zu machen“: „Eine Revolution der Evolution.“ Sich die Natur zum Vorbild zu nehmen habe den Vorteil einer „umweltfreundlicheren Chemie“.
Der Code des Lebens
Die „Prinzipien von Darwin im Reagenzglas“ (Gustafsson) setzte auch die US-Amerikanerin Frances Arnold ein, die Empfängerin der anderen Hälfte des Chemiepreises. Die 62-Jährige – erst die fünfte Chemikerin, die diesen Preis erhält – gilt als Pionierin auf dem Gebiet der gerichteten Evolution von Enzymen. Auch die baut auf der Erkenntnis auf, dass die natürliche Variation von Eigenschaften von Lebewesen durch Mutationen entsteht. „Mir war klar, dass uns dann, wenn wir fähig sind, den Code des Lebens umzuschreiben, völlig neue Perspektiven eröffnet würden“, schrieb Arnold selbst.
In unzähligen Tests setzte ihre Forschungsgruppe veränderte Gene in Bakterien ein, die dann unterschiedlich veränderte Enzyme produzierten. Diese wurden auf ihre Reaktionsfähigkeit getestet, aussortiert, neu verändert und getestet – und so weiter. Es gebe „unendliche Kombinationsmöglichkeiten“ erläuterte Gustafsson, aber mit etwas Glück erhalte man Enzyme, die man dann bei bestimmten chemischen Reaktionen optimal einsetzen könne. So mittlerweile beispielsweise in Waschmitteln oder bei der Entwicklung von Biotreibstoffen, bei denen Zucker aus Pflanzen effizient umgesetzt werde.
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