Nigerianisches Gericht verhängt Todesurteil: Scherge der Diktatur soll an den Galgen
Der einstige Sicherheitschef von Exmilitärherrscher Abacha wird von einem Gericht wegen der Ermordung der Bürgerrechtlerin Abiola vor 16 Jahren zum Tode verurteilt.
BERLIN taz | Im spektakulärsten Gerichtsverfahren zur Aufarbeitung der Verbrechen der Militärdiktatur in Nigeria ist ein spektakuläres Urteil gefallen. Major Hamza al-Mustapha, der einstige Sicherheitschef des 1998 verstorbenen Diktators Sani Abacha, wurde vom High Court in Lagos zum Tod durch den Strang verurteilt.
Er sei verantwortlich für die Ermordung der Oppositionsführerin Kudirat Abiola am 4. Juni 1996. "Wer unschuldiges Blut vergießt, der fürchtet den Tod am meisten", sagte Richterin Mojisola Dada bei ihrer siebenstündigen Urteilsbegründung am Montag. "Daher sind Sie schuldig und sollen am Galgen sterben."
Kudirat Abiola war die Ehefrau des Geschäftsmannes Moshood Abiola, der am 12. Juni 1993 die vom Militär organisierten freien Wahlen in Nigeria gewonnen hatte. Das Militär annullierte diese Wahl, Abiola kam in Haft.
Es folgte ein erneuter Militärputsch von General Sani Abacha, der Nigeria mit eiserner Hand regierte, bis er 1998 in den Armen indischer Prostituierter an einer Überdosis Viagra starb. Danach leitete das Militär eine Demokratisierung ein, aufgrund derer Nigeria seit 1999 gewählte Regierungen hat.
Moshood Abiola starb 1998 unter unklaren Umständen im Gefängnis kurz vor seiner geplanten Freilassung.
Im Dezember 1999 kamen al-Mustapha ebenso wie Abachas Sohn Mohammed und weitere Größen des Militärregimes wegen des Mordes an Kudirat Abiola vor Gericht.
Der Prozess brach zunächst zusammen, als der Richter den Angeklagten das Hinsetzen verbot mit der Begründung: "Ich kann nicht zulassen, dass sich Verbrecher in meinem Gericht setzen." Er wurde wegen Befangenheit abgelehnt.
Solche und ähnliche Vorfälle verzögerten das Verfahren immer wieder. Mohammed Abacha wurde 2002 freigesprochen.
Nun ist festgestellt, wer hinter dem Attentat steckte, dem Kudirat Abiola am 4. Juni 1996 zum Opfer fiel. Im morgendlichen Verkehr in Lagos war sie ebenso wie ihr Fahrer von Unbekannten aus nächster Nähe in ihrem Auto angeschossen worden. Sie wurde mit einer Kugel in der Stirn ins Krankenhaus eingeliefert und starb.
Hamza al-Mustapha stellte dem Polizeisergeant Rogers – er wurde im Verfahren zum Kronzeugen – die Waffe samt Munition. Frau Abiolas Berater Lateef Shofolahan, der jetzt ebenfalls zum Tode verurteilt wurde, habe den Mord logistisch arrangiert.
Al-Mustaphas Verantwortung für den Mord sei nicht dadurch geringer, dass er in Untersuchungshaft gefoltert wurde, so die Richterin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben