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■ Die Deutsche Post AG im GesprächNiemetz hakt nach

Der Tag begann mit Nebel und endete mit elf neuen Briefzentren der Deutschen Post AG. Eines dieser Zentren hatte man am Rand von Berlin hochgezogen, in der Nähe des Flughafens Schönefeld. Die Gegend dort ist eine traurige Version vom traurigen Lied der Steppe: unsinnig hochgeschossenes Gras, verlorene, ruppige Sträucher und dort mitten hindurch eine holprige Piste, kurvig und voller Risse.

Am Ende der Straße, kurz vor der sicheren Gewißheit, sich nun endgültig verfahren zu haben, dann allerdings und einigermaßen überraschend, das neue Briefzentrum: ein 80 Millionen Mark schwerer, vollautomatischer Jobkiller, groß wie ein mittleres Oberstufenzentrum, langgestreckt-eckig wie handelsübliche Schuhkartons – nur eben aus Beton, Ton in Ton mit dem Nebel.

Im Gebäude selbst hatte die PR-Abteilung an diesem Morgen ganze Arbeit geleistet. Geschmückt war die Halle wie ein hochgetunter Messestand, eine Bühne hatte man aufgebaut, dahinter stand auch eine große Leinwand aus Bildschirmen. Und man hatte – kein Aufwand war zu groß – keinen geringeren als Alexander Niemetz einfliegen lassen, einen Mann, der bekanntlich die ZDF- Nachrichtensendung „heute“ mit dem onkelhaften Charme graumelierter Glaubwürdigkeit moderiert.

An diesem Vormittag hatte Niemetz jedoch einen ganz anderen Job. Die Post hatte ihn nämlich für die Moderation einer Talkrunde eingekauft, die die sonst bei diesen Anlässen übliche Arie von Reden ersetzen sollte. Der Vorstandschef hielt also keine Rede über den Konzern und den neuen Betrieb, und auch der Betriebschef hielt keine Rede über die besondere Rolle des neuen Betriebs im Konzern. Vielmehr fragte Niemetz sie danach, und erst dann sagten sie alles, was sie auch in einer Rede gesagt hätten, nur daß es jetzt fast war wie in Bios Bahnhof beziehungsweise in Bötsch seiner Scheune.

Doch die Talkshow-Idylle blieb nicht ungestört. Denn nicht einmal Vox würde eine Gesprächsrunde zum Thema „Neues Briefzentrum“ versenden, und außerdem interviewte Niemetz keine echten Gäste, sondern seine Auftraggeber – eine Konstellation, in der freilich beide Seiten so taten, als würde es sie überhaupt nicht geben.

So begann Niemetz etwa jeden zweiten Satz mit den Worten „Ich als Journalist ...“ und markierte den harten, investigativen Frager, der er selbst im Fernsehen nicht ist, und in der Halle ahnte sowieso jeder: Dieses Kasperle hat die Post bezahlt.

Aber auch die Postführungsriege ließ sich von der Talkshow- Simulation mitreißen. Als Niemetz-als-Journalist die Frage stellte, wieviel Arbeitsplätze die Post abbauen will, reagierte Unternehmensstratege Tumm wie Erika Bergers Gäste auf die Frage nach ihren sexuellen Praktiken und hatte schließlich auch sein Coming-out: 20.000 Arbeitsplätze, sagte er so entschieden und ergriffen ins Mikrofon, als wollte er vom Publikum Applaus für das Geständnis, es schon mit sechs Jahren auf unschuldige Pudel abgesehen zu haben.

Der Applaus kam aber nicht. Dabei hätten ihn mißmutige Arbeiter gar nicht stören können. Die waren von der Post schon am Morgen in knatschgelbe Fünf-ist- Trumpf-Overalls gepackt worden und mußten nun als lebende Rolfs an den Maschinen stehen. Als dann um Punkt 12 Uhr die Anlage in Betrieb gesetzt wurde, räumten die geladenen Gäste das Buffet ab, während ein paar Schritte weiter die Arbeiter Briefe sortierten. Insgesamt also alles wie immer in der Arbeitswelt, nur Reden gibt es halt nicht mehr. Volker Heise

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