Niedriglöhne im Einzelhandel: Hilfe gegen das KiK-Syndrom
Um Niedriglöhne wie beim Textildiscounter KiK zu verhindern, wollen Gewerkschaft und Einzelhandelsverband einen Mindestlohn vereinbaren. Die Billigkette gibt sich reumütig.
BERLIN taz | Lohndumping wie beim Textildiscounter KiK wollen der Einzelhandelsverband und die Gewerkschaft Ver.di künftig unterbinden. Demnächst werde man sich auf eine gemeinsame Lohnuntergrenze einigen, die dann für alle Unternehmen der Branche gelten soll, erklärten die Tarifpartner. Sie reagierten damit auf einen neuen Bericht der NDR-Redaktion "Panorama" über schlechte Arbeitsbedingungen bei KiK.
Der neue Mindestlohn wird erheblich über den 6,50 Euro liegen, die KiK den NDR-Recherchen zufolge seinen Aushilfen zahlt. "Der Einzelhandel ist keine Niedriglohnbranche", sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, zur taz. "Lohndumping schadet der Branche." Mit der Gewerkschaft Ver.di führe der Verband deshalb intensive Gespräche, um bis zum nächsten Frühjahr einen "allgemeinverbindlichen Basislohn" zu definieren. Zu dessen Höhe wollte Genth sich nicht äußern, sagte aber, dass die geltenden Tarifverträge heute eine Bezahlung von rund 7 Euro pro Stunde vorsähen.
Die Gewerkschaft wünscht sich einen Mindestlohn in Höhe von etwa 10 Euro. "Die durchschnittlichen Tariflöhne für Vollzeitverkäuferinnen liegen heute bei 12 bis 13 Euro brutto pro Stunde", so Ver.di-Sprecherin Cornelia Haß. Trotzdem ist sie optimistisch, dass "wir mit dem Einzelhandelsverband zu einem guten Ergebnis kommen". Nach der Einigung auf den Mindestlohn werde es Unternehmen wie KiK künftig nicht mehr möglich sein, niedrigere Gehälter zu zahlen. In dem "Panorama"-Beitrag kommen Beschäftigte der Tengelmann-Tochter KiK zu Wort, die 4,75 Euro oder 5 Euro pro Stunde verdienten. Augenblicklich betrage der Lohn 6,50 Euro.
In einer Erklärung schlug die KiK-Zentrale in Bönen bei Hamm am Mittwoch erstmals einen versöhnlichen Ton an: "In der starken Wachstumsphase haben wir uns ganz auf unser Kerngeschäft konzentriert und sicher Fehler gemacht. Dies bedauern wir außerordentlich. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt und werden zukünftig anders agieren." So hat KiK nach Informationen des NDR nun den ehemaligen Otto-Manager Michael Arretz eingestellt. Otto ist bekannt für seine vergleichsweise sozial- und umweltverträgliche Unternehmenspolitik. Zu konkreten Maßnahmen bei der Belegschaft machte KiK keine Angaben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste