Niederlande: Ex-Terroristen zeigen Reue
30 Jahre nach der Entführung eines Zuges und der Geiselnahme von hundert Schülern bitten zwei Niederländer molukkischer Herkunft ihre Opfer im Fernsehen um Verzeihung
DÜSSELDORF taz Eine ganz normale Fernsehdoku sollte es werden, eine Erinnerung an die Geschehnisse vor genau 30 Jahren, als neun bewaffnete junge Molukker nahe der Ortschaft De Punt im Nordosten Hollands einen Zug kaperten und vier weitere zeitgleich im nahen Bovensmilde gut hundert Schüler und fünf Lehrer als Geisel nahmen. Öffentliches Bereuen stand für Gustaaf Tehupuring, einen der vier Geiselnehmer der Schule, nicht im Drehbuch, hatte er doch eine Woche zuvor in einem Zeitungsinterview noch erklärt, er empfinde keine Schuld. Dann aber äußerten Tehupuring und sein Mitstreiter Tom Polnaya im Vorfeld der Dreharbeiten den Wunsch, mit ausgewählten Opfern zusammenzutreffen und sie um Verzeihung zu bitten. Die Sendung, in der sich zwei der Opfer mit zwei Tätern versöhnen, wird nächsten Dienstag im holländischen Fernsehen gezeigt.
"Ich hatte seit langem Schuldgefühle und wollte euch persönlich um Verzeihung bitten", erklärt Tom Polnaya vor der Kamera den damaligen Geiseln Astrid Tingen (41) und Trea van der Velde (41), die sich im Mai 1977 vier Tage in der Gewalt der selbst ernannten Freiheitskämpfer befanden. "Ich hoffe, dass dieser Schritt unsere Völker einander wieder näher bringen wird."
Mit den beiden Geiselnahmen wollten die militanten Söhne der 1951 unfreiwillig nach Holland verschifften, kurz zuvor entlassenen Soldaten der holländischen Kolonialarmee die Regierung in Den Haag zwingen, sich stärker als bis dahin für eine von Indonesien unabhängige Republik der Südmolukken einzusetzen. Außerdem wollten sie mit der Geiselnahme in der Schule, die mit der Befreiung der Lehrer nach drei Wochen unblutig zu Ende ging, und der Zugentführung, bei deren Beendigung zwei Geiseln und sechs Terroristen ums Leben kamen, Mitstreiter freipressen. Die saßen seit der Besetzung der indonesischen Botschaft (1974) und einer Geiselnahme in Wijster (1975) im Gefängnis. Die terroristischen Aktionen der Molukker haben damals das Verhältnis der stets auf Harmonie bedachten Holländer zur molukkischen Community auf Jahre getrübt.
Die Begegnung zwischen den Terroristen von einst, die zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, und den beiden Frauen begann im ehemaligen Lager Westerbork, in dem von 1951 bis 1959 gut 4.000 ehemalige Soldaten mit ihren Familien untergebracht waren. In diesem Lager, das zuvor die Nazis für die Deportation holländischer Juden genutzt hatten, sind auch Tom Polnaya und Gustaaf Tehupuring aufgewachsen. Wie viele ihrer Generation erlebten sie ihre Eltern dort als Entwurzelte, ohne Aussicht auf eine Pension, ohne Arbeitserlaubnis, ohne Aussicht auf eine Rückkehr in die Heimat. Das immer gleiche Ritual der Demonstrationen am Jahrestag der molukkischen Unabhängigkeitserklärung von 1950 reichte den Radikalen irgendwann nicht mehr. Sie wollten ihren Staat mit Gewalt erzwingen. Was Polnaya und Tehupuring heute offenbar bereuen. Was wiederum van der Velde und Tingen mit den Tätern von damals versöhnt.
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