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Niederlande Der Rechte Geert Wilders wird wegen Diskriminierung von Marokkanern schuldig gesprochen, muss aber keine Strafe zahlenTeilfreispruch für den Hetzer

Wilders nach dem Urteil: Er werde „niemals schweigen“ und nicht zu stoppen sein Foto: Peter Dejong/ap

Aus Amsterdam Tobias Müller

Geert Wilders, Vorsitzender der rechtspopulistischen niederländischen Partei für die Freiheit‚ (PVV), ist durch das Den Haager Gericht schuldig befunden worden, Marokkaner aufgrund ihrer Herkunft beleidigt und diskriminiert zu haben.

Wilders hatte auf einer Wahlparty 2014 seinen johlenden Anhängern die Frage gestellt, ob sie „mehr oder weniger Marokkaner“ wollten. „Weniger!!!“, brüllte der Saal.

Die von der Staatsanwaltschaft geforderte Geldstrafe von 5.000 Euro aber wird Wilders nicht auferlegt. Das Gericht befindet die Verurteilung als ausreichende Strafe für Wilders, der bei der Urteilsverkündigung nicht anwesend war.

In einem speziell gesicherten Gerichtsgebäude beim Flughafen Schiphol begründete Richter Hendrik Steenhuis das Urteil damit, dass Wilders eine gesamte Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer Abstammung beleidigt und als minderwertig bezeichnet habe. Solche Ausdrucksweisen seien nicht durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt.

Grundlage der Verurteilung sei allein das Gesetz, das Diskriminierung und Beleidigung aufgrund von Abstammung verbiete. Diesem unterliege „auch ein demokratisch gewählter Politiker“.

Den Anklagepunkt des Aufrufs zum Hass sah das Gericht dagegen nicht erfüllt. Folglich endete das umstrittene Verfahren mit einem Teilfreispruch.

Ungeachtet dessen ließ Wilders umgehend wissen, dass er gegen das Urteil in Berufung gehen werde. Bereits am Morgen hatte der Vorsitzende der identitären PVV getwittert, „weder Richter noch Politiker noch Terroristen“ könnten ihn davon abbringen, auch künftig „die Wahrheit über das marokkanische Problem“ zu sagen.

In der Urteilsbegründung nahm das Gericht deutlich Bezug auf den turbulenten Rahmen des Prozesses. Der Angeklagte hatte von Beginn an von einem politischen Verfahren vor einem „Scheingericht“ gesprochen, in dem das Urteil schon gefällt wäre. Auch brachte er das Gericht mit der liberalen Partei D66 in Verbindung, deren Fraktionsvorsitzender Alexander Pechtold zu Wilders’ schärfsten Kritikern im Parlament zählt.

Der Prozess gegen Wilders scheint seine Partei in den Umfragen gestärkt zu haben

Richter Steenhuis nannte diese Äußerungen „unwürdig“ und verwies dabei auf Wilders’ Abschlussplädoyer Ende November. Dort hatte er dem Gericht erneut unterstellt, das Urteil bereits gesprochen zu haben. „Wenn Sie mich verurteilen, verurteilen Sie die halben Niederlande“, war damals die dramatische Zuspitzung. „Selbst wenn Herr Wilders Millionen hinter sich fühlt, bedeutet das nicht, das ihm nichts zur Last gelegt werden kann“, sagte Richter Steenhuis am Freitag.

In den Niederlanden hat mit dem Urteil praktisch der Wahlkampf begonnen. Die PVV gehört zu den wenigen Parteien, die bereits ihr Programm für die Parlamentswahlen Mitte März veröffentlicht haben. Dass Identität, Integration und Zuwanderung hier eine Schlüsselrolle spielen werden, war ohnehin selbstverständlich. Nach dem Wilders-Prozess dürften auch die Meinungsfreiheit und ihre angebliche Bedrohung auf die Agenda der Rechtspopulisten gerückt sein.

Die Umfragen sehen Wilders’ Partei PVV seit der heftig geführten Flüchtlingsdebatte vom Herbst 2015 ganz vorne. Erst in diesem Herbst hatte die marktliberale VVD von Premier Mark Rutte die PVV wieder überholen können. Zuletzt lag die PVV jedoch mit rund 20 Prozent wieder knapp in Führung.

Untersuchungen zufolge hat der jüngste Zuwachs der PVV direkt mit dem Prozess gegen Wilders zu tun. Teilnehmer der Umfragen nannten es ungerecht, dass sich der Parteichef wegen politischer Äußerungen vor Gericht verantworten müsse.

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