Niedergang der US-Stahlindustrie: Warten auf Nippon Steel
Ein US-Stahlwerk in der kleinen Industriestadt Braddock soll von der japanischen Konkurrenz übernommen werden. Die Menschen dort bangen um ihre Zukunft.
D er Niedergang der US-amerikanischen Stahlindustrie ist wahrscheinlich nirgends so deutlich zu sehen wie in Braddock. Die knapp 20 Autominuten südwestlich von Pittsburgh gelegene Kleinstadt ist die Heimat einer der ältesten Stahlfabriken in den USA. Das riesige Stahlwerk, das 1875 die Produktion aufnahm, liegt am Ufer des Monongahela River und ist Teil des Stahlkonzerns U.S. Steel. Eine geplante Übernahme des strauchelnden Konzerns durch den japanischen Konkurrenten Nippon Steel ist hier zum Politikum geworden.
Donald Trump hatte sich während des Wahlkampfs öffentlich gegen den Verkauf ausgesprochen, und auch der noch amtierende US-Präsident Joe Biden ist gegen die Übernahme. „Nationale Sicherheitsbedenken“ werden als Grund dafür genannt. Für die Menschen in Industriestädten wie Braddock bedeuten Verkauf und neue Investitionen jedoch Zukunftschancen.
„Wäre es kein Wahljahr, dann wäre der Verkauf schon abgewickelt“, glaubt U.S.-Steel-Arbeiter Jason Zugai. Als Präsident der lokalen Gewerkschaft weiß er, wie wichtig der Erhalt der Stahlindustrie für die gesamte Region um Pittsburgh ist. „Unsere Arbeitsplätze hängen vom Verkauf an Nippon Steel ab“, sagt er.
Die Großstadt Pittsburgh im Westen des US-Bundesstaats war lange Zeit das Herzstück der amerikanischen Stahlindustrie. Der Spitzname Steel City und die Pittsburgh Steelers aus der amerikanischen Footballliga NFL huldigen dieser Vergangenheit.
Von 340.000 Mitarbeitern sind weniger als 10 Prozent übrig
Während des Zweiten Weltkriegs beschäftigte US Steel noch mehr als 340.000 Mitarbeiter. Heute sind davon weniger als 10 Prozent übrig. In Braddock ist der langsame Niedergang der US-Stahlindustrie an so gut wie jeder Straßenecke zu sehen. Auf der Hauptstraße Braddock Avenue prägen statt Bars und Restaurants leere Läden und einsturzgefährdete Häuser das Bild.
In den Boomjahren lebten über 20.000 Menschen in Braddock. 1.700 sind es heute. Viele Häuser stehen leer. Das einzige Krankenhaus, mehr als ein Jahrhundert für die Einwohner da, schloss bereits vor über zehn Jahren seine Pforten. Auf dem ehemaligen Krankenhausgelände finden sich heute neue Reihenhäuser und ein Park. Der durchschnittliche Immobilienwert in Braddock liegt laut der Immobilienplattform Zillow bei etwas mehr als 50.000 US-Dollar.
Lichtblicke trotz wirtschaftlichem Abschwung
Doch es gibt auch Lichtblicke in Braddock. Bewohner, die der Stadt treu geblieben sind, versuchen mit viel Tatendrang, ihre Stadt zu verschönern. Mit Kunst an Häusern zum Beispiel oder einem Gemeinschaftsgarten. Die Menschen in Braddock sehen im Schatten der rauchenden Schornsteine des Stahlwerks eine bessere Zukunft für ihre Stadt.
Die geringen Immobilienkosten haben den Ort in den vergangenen Jahren zu einer gefragten Adresse für Familien gemacht. Auch junge Unternehmer versuchen dort ihr Glück. Zwei Studenten eröffneten 2014 die Brauerei Brew Gentleman. Im Oktober kam noch ein Restaurant, das Braddock Public House, dazu.
Ein großer Unterstützer der Stadt ist auch US-Senator John Fetterman, der nach seiner Wahl 2022 vor allem mit seiner legeren Klamottenauswahl im Kongress für Aufsehen gesorgt hat. Zwischen 2006 und 2019 war er Bürgermeister von Braddock, konnte aber den langsamen Abstieg der Stadt nicht verhindern.
Hoffen auf die Übernahme durch Nippon Steel
Für die Menschen ist die Ungewissheit über die Zukunft von U.S. Steel beunruhigend. Auch wenn die Bedeutung der Stahlindustrie in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen hat, so ist die große Fabrik weiterhin das Wahrzeichen der Stadt. „Ich hoffe, dass ein Ende der Stahlindustrie nicht auch unser Ende bedeuten würde, aber ich glaube, dass es erhebliche Auswirkungen auf uns hätte“, sagte Braddock-Public-House-Mitbesitzerin Alaina Webber.
Nippon Steel hofft, dass die geplante Übernahme im Wert von 14,9 Milliarden Dollar noch vor Jahresende vollzogen werden kann. Der ministeriumsübergreifende Ausschuss für Auslandsinvestitionen (CFIUS) prüft aktuell den Deal.
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