Niedergang der "Tour de Ski": "Es macht mich traurig"
Die zum Zwei-Länder-Rennen geschrumpfte Tour de Ski der Langläufer vermag nicht zu faszinieren. Das Interesse in Deutschland hält sich trotz heimischer Favoriten in Grenzen.
Ausgerechnet der Deutsche Skiverband (DSV) sorgt also für so große Irritationen. Dabei waren es doch stets die deutschen Langläufer, ihre Trainer und Betreuer, die sich der Moderne so aufgeschlossen zeigten. Langlauf sollte raus aus den Wäldern, sollte sich einem großen Publikum präsentieren. Es gibt nun Rennen mit Skiwechseln mitten auf der Strecke, es gibt spannende Sprints, die sich sogar am Rheinufer in Düsseldorf absolvieren lassen. Und es gibt seit dem Vorwinter eine Tour de Ski -- mit allem, was dazugehört: gelbes Trikot, sattes Preisgeld, viele Etappen in möglichst kurzer Zeit. In der vergangenen Saison gehörten mit München und Oberstdorf zwei deutsche Etappenorte dazu, in diesem Jahr ist aus der Tour eine Zwei-Länder-Veranstaltung geworden.
Nach dem Start am 28. Dezember in Nove Mesto und einem City-Sprint in Prag finden am 1. und 2. Januar zwei weitere Rennen in Nove Mesto statt, nächste Station ist Asiago in Italien, ehe in Val di Fiemme am 6. Januar das Finale steigt - mit einem Bergrennen: Wer als Erstes oben ist, ist Toursieger. Die Tourmacher mussten umplanen, weil der in finanzielle Turbulenzen geratene DSV die geplanten Rennen in Oberstdorf nicht organisieren wollte. Das sorgt nun sogar bei den Aktiven selbst für Unmut. "Ich bedauere das nicht nur, es macht mich sogar traurig, weil ich glaube, dass nicht alles unternommen worden ist, um die Rennen in Deutschland zu halten", sagt Weltmeister Axel Teichmann.
Das ganze Konzept der Tour stand auf dem Prüfstand, niemand riss sich darum, den Ersatz für Oberstdorf zu spielen. Dass in Nove Mesto gleich vier der acht Rennen stattfinden, ist eine Notlösung. Aber FIS-Renndirektor Jürg Capol ist ein geschickter Vermarkter: Das tschechische Liberec ist 2009 Austragungsort der nordischen Ski-WM. Und der tschechische Skiverband könne bei der Tour seine organisatorische Kompetenz unter Beweis stellen. "Gelaufen werden muss sowieso - ob in Oberstdorf oder Nove Mesto. Und das Fernsehen überträgt auch", sagt Capol.
München fiel schon früher aus den Plänen der Tour-Organisatoren. Der Sprint im Vorjahr war gut organisiert, sogar reichlich Kunstschnee war vorhanden. Trotzdem verloren sich die wenigen Zuschauer in den Weiten des Olympiastadions, die Stimmung war zum Gähnen. "Es haben logistische Gründe gegen München gesprochen, die Reisestrapazen wären zu groß geworden. Aber natürlich auch die Tatsache, dass es nicht die entsprechende Kulisse im Stadion gab", sagt Capol, der sich schon auf den Sprint in der tschechischen Hauptstadt freut. In Prag habe man einen City-Kurs, "direkt beim Schloss".
Die Tour de Ski ist ein ehrgeiziges Projekt der Langlaufabteilung des Weltverbandes FIS. Acht Rennen in zehn Tagen, eine Sonderveranstaltung, die die lange Weltcupsaison auflockern und neue Sponsoren- und TV-Einnahmen einbringen soll. Was bei den Skispringern mit der Vierschanzentournee funktioniert, kann ja eigentlich bei den Langläufern nicht schiefgehen. Dumm nur, dass die Skispringer sich einen ordentlichen Zeitvorsprung erarbeitet haben, in diesem Jahr startet die 56. Auflage der Tournee. Aus rein sportlicher Sicht hat die Langlauftour für den deutschen Zuschauer das weitaus größere Mitjubelpotenzial: Teichmann präsentiert sich in glänzender Form, Vorjahressieger und Gesamtweltcupsieger Angerer hat die Tour de Ski zu seinem Saisonhöhepunkt erkoren: " Dort will ich meine beste Leistung abrufen, daran will ich mich messen lassen", sagt er. Dagegen landen die deutschen Skispringer auch in dieser Saison viel früher als die Konkurrenz. Trotzdem: Am frühen Nachmittag vor dem Fernseher sitzen und das Neujahrsspringen verfolgen - das hat in Deutschland Tradition, auch da, wo keine Pisten und Loipen in der Nähe sind.
Und dann ist da ja auch noch die Frage nach dem Doping. Nach den Enthüllungen im Radsport werden die Langläufer als Ausdauersportler recht kritisch beäugt. Da helfen auch die Äußerungen von Weltcupgesamtsieger Angerer nichts, der stets betont, nichts zu verbergen zu haben. Der Argwohn wird mitlaufen. Ob in Oberstdorf, Nove Mesto oder sonst wo.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links