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Nicht unsichtbar

Als GALier und Fahnenträger bei der Friedensdemo am 10. April habe ich zusammen mit anderen FriedensdemonstrantInnen aus der GAL diese Veranstaltung aus einer zugegebenermaßen ungewöhnlichen Perspektive erlebt.

Menschen scheinen immer noch in erster Linie ein Feindbild zu benötigen, das anstrengende (?) Reflexion hinfällig werden läßt. So kam es zu den beschriebenen, verbal äußerst unfriedlichen Demonstrationen einiger TeilnehmerInnen den GALierInnen gegenüber. Wobei es durchweg „nur“ um die kenntliche Anwesenheit der GALierInnen ging.

Warum diese Sichtbarkeit wichtig und ehrlich ist, möchte ich verdeutlichen: Im taz-Artikel wird erwähnt, daß die GALierInnen beim Ostermarsch noch als Privatpersonen aufgetreten seien. GALierIn zu sein, ist aber für die wenigsten ein Beruf, sondern eine Möglichkeit, Gesellschaft ein Stück mitzugestalten. Und zwar in der Form, die jeder einzelne Mensch in der Partei für sich verantworten kann. Die Teilnehmerzahl von FriedensdemonstrantInnen aus der GAL läßt vermuten, daß viele andere GALierInnen Frieden zu diesem Zeitpunkt und unter den vorliegenden Umständen als nachrangig ansehen. Diese Sicht teile ich nicht. Trotzdem bleibe ich Mitglied dieser Partei. Ich bin nicht zwei Identitäten. Ich kann mich nicht als GALier für bezirkliche Problemstellungen und sozialpolitische Verbesserungen einsetzen und als Privatmensch gegen Sozialhilfeempfänger wettern. Genauso falsch wäre es, meine GALier-Identität auf einer Friedensdemonstration abzustreifen, als könne ich mich der Diskrepanz entziehen, die damit derzeit verbunden ist.

Ich kann heute gegen diesen Krieg aufbegehren und gleichzeitig GALier sein. Genauso kann ich auch in der Stadt einkaufen gehen und die Ungerechtigkeit des Weltmarktes anprangern. Beides birgt Widersprüche, mit denen wir alle zurechtkommen müssen, da der einzige Ausweg – der Austritt aus der Gesellschaft – noch nicht gefunden wurde.

Wer anhand von diesen Widersprüchen anfängt zu moralisieren, wird seine Finger von der eigenen Nasenspitze nicht losbekommen.

Frank Mauritz, 27, Student

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