: Nicht totzukriegen: Geschichte des Tempodroms
Seit mehr als 18 Jahren „brummt“ es im Tempodrom: erst am Potsdamer Platz im Schatten der Mauer von 1980 bis 1983, dann ab 1984 nahe der Kongreßhalle im Tiergarten. Seitdem werden in dem Kulturzirkus Musik, Theater sowie Kongresse präsentiert – mit 200.000 Besuchern pro Saison. Das Tempodrom ist „das Phänomen“ in der Stadt: geliebt, gehaßt, zwangsgeräumt, umgebaut, aber nicht totzukriegen.
Der Umsatz des Tempodroms beläuft sich heute auf rund 6 Millionen Mark jährlich. 30 Mitarbeiter managen mit „der Chefin“ Irene Moessinger das Veranstaltungszelt, das 1995 in die kultuelle Stiftung „Neues Tempodrom“ umgewandelt wurde. Doch der Standort gehört zum Gelände des zukünftigen Regierungsviertels. Eine Räumungsklage soll das Tempodrom nun vorzeitig zum Abschied von der historischen Adresse „In den Zelten“ zwingen.
Obwohl seit 1996 ein neuer Spielort für das Tempodrom am Anhalter Bahnhof in Kreuzberg bereitsteht, ist die Zukunft des Kulturzelts ungewiß. Denn ungeklärt ist, wer Umzug und anvisierten Neubau finanziert. Die Kosten für den Entwurf des Architekten Frei Otto, der das Münchener Olympiazelt plante, liegen bei 32 Millionen Mark und sind bislang nur zum Teil gedeckt.
„Die Finanzierung des Projekts ruht auf vier Säulen“, sagt Moessinger. 8 Millionen Mark haben private Sponsoren in Aussicht gestellt. Weitere 8 Millionen können aus Lottomillionen bereitgestellt werden. Aus einem EU-Umweltförderungprogramm fließen ebenfalls Gelder. Allein die vierte Säule ist wackelig. Der Bund und die Deutsche Stadtentwicklungsgesellschaft wollen die vom Tempodrom geforderten 8 Millionen Mark Entschädigung für den erzwungenen Umzug nicht zahlen. Deren Begründung sei, so Moessinger, daß das Tempodrom keinen langfristigen Mietvertrag besitze und zudem auf einem Grundstück stehe, das kostenfrei zu Verfügung gestellt worden war. Jetzt streiten sich der Bund und das Land Berlin auf der einen Seite und das Tempodrom auf der anderen vor Gericht, welche Entschädigungssumme gezahlt werden muß. Moessinger hofft auf Unterstützung des neuen Kulturbeauftragten im Kabinett Schröder, Michael Naumann. Für das „Neue Tempodrom“ liegen die Pläne fertig in der Schublade. Nach einem Entwurf Frei Ottos soll ein „festes“ innovatives Bauwerk entstehen. Auf einer 4.400 Quadratmeter großen Grundfläche sind zwei Arenen vorgesehen, eine für 3.000 Besucher, die andere für 500. Die beiden Bühnen werden von einer zeltförmigen Dachlandschaft überspannt. Als Fassade erhält der runde Bau gläserne Außenwände.
Daneben soll das Neue Tempodrom über eine Open-air- Bühne mit 800 Plätzen verfügen sowie ein Liquidrom beherbergen, in dem bei farbigem Licht, Multimedia-Projektionen und Unterwassermusik in Sole gebadet und geravet werden kann. Und im Eurodrom, dem interaktiven Medienzentrum des Zeltes, können mittels verknüpften Datennetzen lokale Veranstaltungen auf europäischen Partnerbühnen zeitgleich erlebt werden. Die Betreiber rechnen mit jährlich 350.000 bis 400.000 Besuchern. müller/rola
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen