Nicht registrierte Flüchtlinge in Sachsen: Warten auf Deutschland
Langsam mahlen die bürokratischen Mühlen: Allein in Sachsen leben angeblich rund 3.500 Flüchtlinge, ohne dass ihre Grunddaten erfasst wurden.
BERLIN taz | Sie sitzen auf einer Matratze vor dem Eingang der Flüchtlingsunterkunft in Hoyerswerda und halten braune Kartons hoch: „Hungerstreik, um gehört zu werden“.
Tarek Ahmed hat es aus Hassake nach Deutschland geschafft. Seine Frau und seine vier Kinder sind noch dort, er macht sich unendliche Sorgen um sie. Walid Awad ist Single und kommt aus Damaskus, wo er vom Assad-Regime gefoltert wurde.
Hasan Salame schließlich arbeitete in seinem früheren Leben für eine Elektronikfirma in Aleppo, auch er musste fliehen und seine Familie im Kriegsgebiet zurücklassen, um sein Leben zu retten. Nun greifen sie in ihrer Verzweiflung zum letzten Mittel, sie hungern.
Denn obwohl sie schon seit rund sieben Monaten in Deutschland sind, wurde bislang noch nicht einmal eine Akte unter ihrem Namen angelegt. Es wurden auch keine Fingerabdrücke genommen. Wer aber keine Akte hat, kann auch keinen Asylantrag stellen. Auf Anfrage der taz teilt die Ausländerbehörde Bautzen mit, dass die Syrer keine Ausnahme seien.
Keine kommunale Aufgabe
Allein in ihrem Zuständigkeitsbereich ergehe es etwa 200 Vertriebenen so. In ganz Sachsen seien rund 3.500 Flüchtlinge vom zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einfach „auf die Fläche verteilt worden“ – ohne jede Registrierung. Die Flüchtlinge erhalten Unterkunft und rund 330 Euro im Monat, um sich verpflegen zu können. Wenn die Hilfeleistungen gewährt werden, was ist dann das Problem bei der Registrierung?
Bislang zählte diese nicht zu den Aufgaben der Kommunen, sondern zu denen des BAMF. Das aber ist noch immer nicht auf die tatsächliche Zahl von Asylsuchenden eingerichtet, und so werden die Wartezeiten länger und länger.
Wie viele Menschen ohne Registrierung bundesweit in Heimen sitzen und Monat für Monat darauf warten, auch nur den ersten Schritt in ihrem Asylverfahren machen zu dürfen, war nicht in Erfahrung zu bringen.
Doch in Hoyerswerda beziehungsweise in Sachsen soll die Lage nun besser werden. So hat das Landratsamt zwei Mitarbeiter schulen lassen, die Erstregistrierung vorzunehmen und die Daten ans BAMF zu übermitteln.
Die Maßnahmen gegen den Verwaltungsstau seien bereits vor zwei Wochen ergriffen worden. Mit dem Hungerstreik habe man also nichts zu tun. Gleich am Montag soll es mit der Erfassung losgehen, und Tarek Ions Ahmed, Walid Awad und Hasan Salame werden, so die Sprecherin aus Bautzen, die Ersten sein, deren Daten endlich ans Bundesamt geschickt werden.
Erleichtert haben die drei Syrer unter dieser Voraussetzung ihren Hungerstreik ausgesetzt. Kurz vor Dienstschluss teilte das BAMF dann mit, dass just am Freitag zwei Asylverfahren der drei Hungerstreikenden eingeleitet worden sind. Für das dritte benötige man noch Unterlagen seitens der Ausländerbehörde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“