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Nicht nur Gerüchte

Überraschung im PUA Polizeiskandal: Mißhandlungen auf Wache 11 keine Einzelfälle  ■ Von Silke Mertins

Der Polizeiskandal als ein Gemisch aus Gerüchten, Übertreibungen und Mutmaßungen: Dieser Eindruck wurde von der Mehrheit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) Polizeiskandal immer wieder vermittelt. Umso überraschender nahm sich gestern die abschließende Bewertung zur St. Georger Wache 11 aus, die Übergriffe auf Ausländer nicht als Entgleisungen einzelner Beamter kleinredet: „Hinsichtlich der Häufigkeit von Mißhandlungen“ könne „nicht von Einzelfällen einiger weniger ,schwarzer Schafe' gesprochen werden“, so das Votum des PUA.

Zwar sei nicht von regelhaftem rassistischem Verhalten aller dort eingesetzen Polizisten auszugehen. Doch neben strukturellen Faktoren wie schwierigen Arbeitsbedingungen spielten auch individuelle Aspekte eine Rolle. „Als individuelle Faktoren dürften u.a. die Gewaltbereitschaft des einzelnen Beamten, seine Einstellung zu Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit und nichtweißer Hautfarbe in Betracht kommen.“

Auch den Vorwurf der Scheinhinrichtungen, der letztlich nicht bewiesen ist, will der PUA nicht als bloßes Gerücht abtun. Es gebe vielmehr „Hinweise“, die aber wegen der Aussageunwilligkeit von Polizeizeugen „nicht verifiziert“ werden konnten. Damit hält die Mehrheit im Untersuchungsausschuß extrem rassistische und menschenverachtende Verhaltensweisen von Hamburger Polizisten für möglich, wenn auch nicht für belegbar; ein vernichtendes Urteil der PUA-Mehrheit aus SPD, Statt und CDU.

Darüber hinaus kritisiert der PUA auch scharf das Verhalten der Polizeiführung. Nicht nur seien „Hardliner“ in der Wache 11 eingesetzt worden. Die Polizeispitze habe sich auch nicht um Aufklärung der Vorwürfe bemüht und weise ein „abgeschottetes“ Denken und Handeln auf. Damit folgt der Ausschuß der Aussage des Kronzeugen und Polizisten Uwe Chrobok, die zur Verurteilung zweier Beamter führte, in vollem Umfang.

Der GAL ging das Mehrheits-Votum nicht weit genug. Neben individuellen auch strukturelle Gründe und den Umstand, daß viele Dealer Afrikaner und Kurden seien, für das polizeiliche Fehlverhalten verantwortlich zu machen, sei in sich rassistisch. Denn damit würden die Opfer von Mißhandlungen zur Ursache erklärt. Und das bereite „den Boden für neue Menschenrechtsverletzungen.“

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