: Nicht mit diesem Konzept
betr.: „Wunderkammer sucht Heim“ („Theatrum-Ausstellung im Berliner Gropius-Bau), taz vom 7. 3. 01
Das fehlte gerade noch: das unsägliche Konzept der Schau „Theatrum naturae et artis“ auch noch zu konservieren! Als Wissenschafts- und Kunsthistoriker war ich beim Besuch der Ausstellung entsetzt über deren Unbedarftheit. Der versprochene Austausch zwischen „Natur“- und „Kultur“-Wissenschaften fand gerade nicht statt; hierzu hätte nämlich auch eine kritische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Begriffen, Methoden und Paradigmen gehört.
Stattdessen errichtete sich jedes Fach Raum für Raum seine kleine Ruhmeshalle, indem es seine „Schätze“ populistisch-spektakulär präsentierte und „große Männer“ der Wissenschaft abfeierte. Da war in den Beschriftungen ohne jede Hinterfragung von „normalen“ Körpern und pathologischen „Abweichungen“ die Rede; da wurde die kolonialistische Rassenkunde um 1900 völlig kritiklos (und unter dem unverfänglicheren Label „Anthropologie“) durch Gipsabgüsse von AfrikanerInnen repräsentiert, ohne auch nur ansatzweise das Verhältnis von europäischen Wissenschaftlern und den von ihnen Beforschten zu thematisieren; da wurde nirgends die Frage nach den Geschlechterkonstruktionen beispielsweise von Medizinern gestellt, obwohl viele Exponate dies sehr nahe legten und obwohl hierzu von feministischen Wissenschaftlerinnen gründlich geforscht worden ist; bei Bildern wie den beiden Kupferstichen der Anatomischen Theater in Leiden und Berlin, bei denen sich eine kunsthistorische Analyse geradezu aufdrängte, unterblieb diese (auch im Katalog); und so weiter und so fort.
Kurz: eine universitäre PR-Show, die weit hinter den Stand der wissenschaftsgeschichtlichen Forschung zurückfiel. Dass die Ausstellungsmacher diese jetzt gar in die restaurative Idee einer Kopie des Berliner Schlosses einbringen wollen, passt ins Bild. Kaum zu glauben, dass Horst Bredekamp einmal zur kritischen 68er-Fraktion in der KunsthistorikerInnen-Zunft gehörte. Die hochinteressanten Exponate verdienen zwar in der Tat eine ständige Ausstellung – aber nicht mit diesem Konzept!
JAKOB MICHELSEN, Hamburg
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