piwik no script img

Nicht-lineare Shows für StreamingportaleEventfernsehen auf Abruf

Auch auf Streamingportalen werden bald Show- und Entertainmentformate zu sehen sein. Nähern sie sich immer mehr den klassischen Sendern an?

Bei der Mipcom wird das YouTube- und TV-Format „The Box“ beworben Foto: dpa

Es sind nicht mehr nur aufwendige Serien und Filme, die im interna­tionalen Programmhandel gefragt sind, denn der Bedarf nach Inhalten für immer mehr Anbieter wird immer größer. Effekt: Auch Show- und Entertainmentformate erleben eine Renaissance. Wichtige Treiber: erneut Video- sowie Internetportale. Das zeigte die weltgrößte Fernsehmesse Mipcom in Cannes.

Das „erste TV-Format, das die Geburt eines Social-Media-Stars zeigt“, kündigte dort etwa das globalagierende Produktionsunternehmen Dori Media an. Bei den Programmeinkäufern aus aller Welt sorgte es für Interesse: In „The Box“ so der Titel, werden Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren gecastet, die ihre besonderen Fähigkeiten darstellen sollen. Zu sehen gibt es die Resultate zuerst auf einem YouTube-Channel. Eine tägliche Sendung im klassischen TV zeigt dann die Höhepunkte.

Die Kids, die schließlich im Netz die höchstem Klickzahlen erreicht haben, messen sich schließlich während einer großen Fernsehshow. Aber das war in Südfrankreich nur ein Beispiel dafür, wie alte und neue Medien miteinander verschmelzen. MTV etwa verkündete einen Neustart von „The Real World“ auf Facebook.

Die Reihe, in der die Akteure rund um die Uhr mit der Kamera begleitet werden, aber auch Kontakt zur Außenwelt haben dürfen, gilt in der Branche als Mutter aller Reality-Shows. Die neue Version soll mehr interaktive Elemente bieten, etwa durch Kontaktaufnahme der Nutzer mit den Mitwirkenden der Show.

Social-Media-Interaktion für viele Abonnenten

Für Aufmerksamkeit sorgte ebenfalls, dass Netflix die Rechte für „The Circle“ erworben hat. Diese Reihe ist eine Art „Big Brother“, bei dem die Kandidaten nicht direkt miteinander in Kontakt treten dürfen. Bei Netflix ist man jedenfalls überzeugt: Der Mix aus Social-Media–Interaktion sowie Wettkampfelementen wird die Abonnenten rund um den Globus locken. Drei „lokale“ Produktionen, unter anderem in den USA, sind erst mal geplant.

Außerdem wird die amerikanische Video-on-Demand-Plattform im nächsten Jahr eine „Comedy Event“-Reihe mit Comedians aus 13 Ländern, darunter auch Ilka Bessin, Kaya Yanar und Enissa Amani, anbieten. Überhaupt scheint das Thema Comedy ein begehrtes Genre bei den neuen Playern zu sein. „Fast alle suchen nach entsprechenden Inhalten“, bestätigte der Kölner Produzent Wolfgang Link während der Messe.

Einer, der auf der Mipcom intensiv mit den Internetanbietern über mögliche Projekte gesprochen hat, ist René Jamm. Der Geschäftsführer von Warner TV Deutschland hat gerade die Nacktdating-Show „Adam und Eva“ produziert, die er im November gemeinsam mit RTL auf deren Plattform bringt.

Die Auftaktfolge wird im Fernsehen zu sehen sein, alle weiteren Folgen sind dann „binge-watching-mäßig“ auf „TV Now“ abrufbar. Er sagt: „Prinzipiell haben bestimmte große Show- und Entertainmentmarken einen hohen Wert und sind damit plattform­unabhängig.“ Auch bei nichtfiktionalen Formaten gebe es große ­Marken, die transferiert werden können.

Spektakuläre Live-Shows

Nähern sich die Internetplattformen jetzt also immer mehr den klassischen Sendern an? Und warum sollten Abonnenten eines Angebots eine Show herunterladen?

Man muss mit anderen Ansätzen arbeiten, ist sich Jamm sicher: „Ich glaube, die Plattformen würden sich mit Livestreaming-Formaten leichttun, die beispielsweise mit Social-Media-Strukturen vernetzt sind.“ Die klassische Show dagegen dürfte es schwer haben, weil auf den Plattformen keine Prime-Time-Struktur bestehe: „Bei Plattformen kann ich mir einen Erfolg nur über spektakuläre Live-Shows vorstellen, so wie früher bei ‚Schlag den Raab‘ oder beispielsweise das ‚Dschungelcamp‘.“

Nähern sich die Internet- plattformen jetzt also immer mehr den klassischen Sendern an?

Das wäre ein Einstieg ins Eventfernsehen: Es ist einmalig, es läuft dort und dort zu einer bestimmten Zeit. Dafür müssten sie aber zuerst einen enormen Promotion-Aufwand betreiben, damit das Publikum überhaupt davon erfährt. Hier konzentrieren sich die Portale schon auf den Sportbereich. „Das ist ein Sektor, der noch viel stärker ausgebaut werden wird“, prognostiziert der Produzent.

Seine Kollegin Ute Biernat von der UFA erklärt die steigende Nachfrage bei den Abrufdiensten damit, dass solche Formate schneller und preiswerter produziert werden können. Für Sky hat sie eine Version von „X Factor“ mit Thomas Anders, Sido und anderen Showstars als Juroren produziert. Die Abrufzahlen hat der Pay-TV-Sender noch nicht veröffentlicht, aber, so Biernat: „Wir liegen in Deutschland auf einem guten Niveau.“

Für die Mipcom-Chefin Laurine Garaude jedenfalls ist der Trend klar: „Die Internetanbieter expandieren immer mehr in diese anderen Bereiche, und sie haben immer mehr Spezialisten, die sich mit diesen Genres auskennen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!