Neuseeland legalisiert Abtreibungen: Abtreibung ohne Strafandrohung
Nach teilweise bewegender Debatte stimmt Neuseelands Parlament für eine Entkriminalisierung der Abtreibung. Möglich waren Abbrüche aber auch vorher.
Bislang galten Schwangerschaftsabbrüche in Neuseeland offiziell als Straftaten. Abtreibungsärzten drohten bis zu 14 Jahre Gefängnis. Doch wurde die entsprechenden Gesetze von 1961 und 1977 kaum angewendet und Abtreibungen waren mit ärztlichen Gutachten möglich.
Offiziellen Statistiken zufolge gab es im Jahr 2018 landesweit 13.000 Abbrüche. 57 davon wurden noch nach der 20. Schwangerschaftswoche vollzogen. „Mehr als 40 Jahre lang war Abtreibung die einzige medizinische Prozedur, die in Neuseeland als Verbrechen gesehen wurde“, sagte Justizminister Andrew Little laut dpa in der Parlamentsdebatte. Nun würde sie berechtigterweise wie eine Gesundheitsangelegenheit behandelt. Die Reform würde den Prozess beschleunigen, weil jetzt bis zur 20. Woche keine Gutachten mehr nötig seien, und damit sicherer für die Frauen machen.
Die Liberalisierung des Abtreibungsrechts war ein Wahlversprechen der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Ardern. Ihre Regierung muss sich im September Neuwahlen stellen. Bei der Parlamentsabstimmung war der Fraktionszwang aufgehoben worden. Nach der dritten und letzten Lesung stimmten 68 für die Entkriminalisierung, 51 dagegen, unter letzteren viele der konservativen National Party.
„Heute würde ich wahrscheinlich abgetrieben“
In den Abstimmungen nach den zwei vorherigen Lesungen hatten die Reformer noch eine größere Mehrheit (92 zu 23 und 81 zu 34). Doch änderten schließlich noch die Abgeordneten der populistischen New Zealand First Party, die der Regierungskoalition angehört, ihre Meinung und stimmten gegen die Reform. Damit reagierten sie auf die Ablehnung der Mehrheit eines von ihnen beantragten Referendums über das Abtreibungsrecht.
In der Debatte gab es bewegende persönliche Stellungnahmen. So erklärte der katholische Labour-Abgeordnete Kieran McAnulty, dass er von seiner Mutter zur Adoption freigegeben worden war, weil ihr damals eine Abtreibung nicht möglich war. „Heute würde ich wahrscheinlich abgetrieben,“ sagte er.
Dennoch sprach er sich für viele überraschend für die Entkriminalisiereung aus: „Wer bin ich denn mir anzumaßen, einer Frau aufgrund meiner eigenen Geschichte vorzuschreiben, wie sie zu entscheiden hat?“
Jetzt muss noch der General-Gouverneur, der Vertreter der britischen Krone, der Reform zustimmen. Das wird als Formsache gesehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz