Neurotischer „Ärztestreik“: Blutrote Lettern helfen nicht
Tausendfach schließen Praxen, um gegen das „Kaputtsparen“ im Gesundheitssystem zu demonstrieren. Beitragszahler:innen müssen aber mit ins Boot.
Im Wartezimmer einer Arztpraxis Foto: Manuel Geisser/imago
Berlin taz | Die Bildersprache des Verbändebündnisses „Praxis in Not“, das hinter dem aktuellen tausendfachen „Streik“ von Arztpraxen steht, ist ein Problem. Auf der Website von „Praxis in Not“ sieht man einen düsteren Raum in einem Abbruchhaus, darin steht ein vorsintflutlicher Gynäkologenstuhl, an der Wand lehnen Holzkrücken, Staub und Schimmel überall. „Medizin 2025: Kaputtgespart“ steht in blutroten Lettern über dem Bild.
Himmel, wie hysterisch ist das denn? Als ob alle Arztpraxen dichtmachen und verfallen müssen wegen der Sparpolitik des bösen Gesundheitsministers Karl Lauterbach.
Diese Art der Kommunikation hilft niemandem angesichts der Diskussion um die Zukunft der niedergelassenen Ärzt:innen. Bei diesen handelt es sich gewissermaßen um Zwitterwesen: Es sind Freiberufler, aber sie sind dem freien Markt nicht so ausgesetzt wie etwa Gastronomen, sondern haben durch die gesetzlich versicherten Patient:innen eine gesicherte Einnahmequelle.
Allerdings ist genau diese Einnahmequelle über die gesetzliche Krankenversicherung das Problem: Die Krankenkassen speisen sich nun mal aus den Beiträgen der Versicherten, diese Summen sind leider endlich und auch konjunkturabhängig.
Wachsender Bedarf
Der Bedarf an gesundheitlicher Versorgung ist aber nicht endlich, im Gegenteil, er wächst in einer alternden Gesellschaft mit medizinischem Fortschritt. Es ist verständlich, dass die Ärzt:innen diesen Widerspruch, der über die Budgetierung dann zu quasi unbezahlter Mehrarbeit führt, nicht allein ausbaden wollen.
Unverschämt ist allerdings, wenn Ärzt:innen drohen, nur noch privat Versicherte zu behandeln. Immerhin haben sie ein teures Medizinstudium umsonst, also von der Allgemeinheit finanziert, bekommen.
Absehbar ist: Die Beiträge des Einzelnen für die gesetzlichen Krankenkassen werden in einer alternden Gesellschaft steigen müssen. Nicht alle Ärzt:innen werden zu Hochverdiener:innen. Unbezahlte Mehrarbeit kann man von Ärzt:innen aber auch nicht unbedingt verlangen. Nach Lösungen des Problems muss man gemeinsam suchen – ehrlich, cool und ohne Hysterie.
Neurotischer „Ärztestreik“: Blutrote Lettern helfen nicht
Tausendfach schließen Praxen, um gegen das „Kaputtsparen“ im Gesundheitssystem zu demonstrieren. Beitragszahler:innen müssen aber mit ins Boot.
Im Wartezimmer einer Arztpraxis Foto: Manuel Geisser/imago
Berlin taz | Die Bildersprache des Verbändebündnisses „Praxis in Not“, das hinter dem aktuellen tausendfachen „Streik“ von Arztpraxen steht, ist ein Problem. Auf der Website von „Praxis in Not“ sieht man einen düsteren Raum in einem Abbruchhaus, darin steht ein vorsintflutlicher Gynäkologenstuhl, an der Wand lehnen Holzkrücken, Staub und Schimmel überall. „Medizin 2025: Kaputtgespart“ steht in blutroten Lettern über dem Bild.
Himmel, wie hysterisch ist das denn? Als ob alle Arztpraxen dichtmachen und verfallen müssen wegen der Sparpolitik des bösen Gesundheitsministers Karl Lauterbach.
Diese Art der Kommunikation hilft niemandem angesichts der Diskussion um die Zukunft der niedergelassenen Ärzt:innen. Bei diesen handelt es sich gewissermaßen um Zwitterwesen: Es sind Freiberufler, aber sie sind dem freien Markt nicht so ausgesetzt wie etwa Gastronomen, sondern haben durch die gesetzlich versicherten Patient:innen eine gesicherte Einnahmequelle.
Allerdings ist genau diese Einnahmequelle über die gesetzliche Krankenversicherung das Problem: Die Krankenkassen speisen sich nun mal aus den Beiträgen der Versicherten, diese Summen sind leider endlich und auch konjunkturabhängig.
Wachsender Bedarf
Der Bedarf an gesundheitlicher Versorgung ist aber nicht endlich, im Gegenteil, er wächst in einer alternden Gesellschaft mit medizinischem Fortschritt. Es ist verständlich, dass die Ärzt:innen diesen Widerspruch, der über die Budgetierung dann zu quasi unbezahlter Mehrarbeit führt, nicht allein ausbaden wollen.
Unverschämt ist allerdings, wenn Ärzt:innen drohen, nur noch privat Versicherte zu behandeln. Immerhin haben sie ein teures Medizinstudium umsonst, also von der Allgemeinheit finanziert, bekommen.
Absehbar ist: Die Beiträge des Einzelnen für die gesetzlichen Krankenkassen werden in einer alternden Gesellschaft steigen müssen. Nicht alle Ärzt:innen werden zu Hochverdiener:innen. Unbezahlte Mehrarbeit kann man von Ärzt:innen aber auch nicht unbedingt verlangen. Nach Lösungen des Problems muss man gemeinsam suchen – ehrlich, cool und ohne Hysterie.
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Kommentar von
Barbara Dribbusch
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