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Neurotischer „Ärztestreik“Blutrote Lettern helfen nicht

Kommentar von Barbara Dribbusch

Tausendfach schließen Praxen, um gegen das „Kaputtsparen“ im Gesundheitssystem zu demonstrieren. Bei­trags­zah­le­r:in­nen müssen aber mit ins Boot.

Im Wartezimmer einer Arztpraxis Foto: Manuel Geisser/imago

D ie Bildersprache des Verbändebündnisses „Praxis in Not“, das hinter dem aktuellen tausendfachen „Streik“ von Arztpraxen steht, ist ein Problem. Auf der Website von „Praxis in Not“ sieht man einen düsteren Raum in einem Abbruchhaus, darin steht ein vorsintflutlicher Gynäkologenstuhl, an der Wand lehnen Holzkrücken, Staub und Schimmel überall. „Medizin 2025: Kaputtgespart“ steht in blutroten Lettern über dem Bild.

Himmel, wie hysterisch ist das denn? Als ob alle Arztpraxen dichtmachen und verfallen müssen wegen der Sparpolitik des bösen Gesundheitsministers Karl Lauterbach.

Diese Art der Kommunikation hilft niemandem angesichts der Diskussion um die Zukunft der niedergelassenen Ärzt:innen. Bei diesen handelt es sich gewissermaßen um Zwitterwesen: Es sind Freiberufler, aber sie sind dem freien Markt nicht so ausgesetzt wie etwa Gastronomen, sondern haben durch die gesetzlich versicherten Pa­ti­en­t:in­nen eine gesicherte Einnahmequelle.

Allerdings ist genau diese Einnahmequelle über die gesetzliche Krankenversicherung das Problem: Die Krankenkassen speisen sich nun mal aus den Beiträgen der Versicherten, diese Summen sind leider endlich und auch konjunkturabhängig.

Wachsender Bedarf

Der Bedarf an gesundheitlicher Versorgung ist aber nicht endlich, im Gegenteil, er wächst in einer alternden Gesellschaft mit medizinischem Fortschritt. Es ist verständlich, dass die Ärz­t:in­nen diesen Widerspruch, der über die Budgetierung dann zu quasi unbezahlter Mehrarbeit führt, nicht allein ausbaden wollen.

Unverschämt ist allerdings, wenn Ärz­t:in­nen drohen, nur noch privat Versicherte zu behandeln. Immerhin haben sie ein teures Medizinstudium umsonst, also von der Allgemeinheit finanziert, bekommen.

Absehbar ist: Die Beiträge des Einzelnen für die gesetzlichen Krankenkassen werden in einer alternden Gesellschaft steigen müssen. Nicht alle Ärz­t:in­nen werden zu Hochverdiener:innen. Unbezahlte Mehrarbeit kann man von Ärz­t:in­nen aber auch nicht unbedingt verlangen. Nach Lösungen des Problems muss man gemeinsam suchen – ehrlich, cool und ohne Hysterie.

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1 Kommentar

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  • Eine Einsparmöglichkeit:



    Wenn die Rezeptpflicht für die meisten Arzneimittel aufgehoben würde,



    dann wären die Wartezimmer auch nicht mehr so voll.