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Neulinge führen FraktionÜberraschung bei Hamburger Grünen

Die Hamburger grüne Bürgerschaftsfraktion wählt zwei Neulinge als Vorsitzende und düpiert damit die etablierten Kandidaten.

Gewählt und umstritten: Dominik Lorenzen und Jenny Jasberg bilden die neue grüne Fraktionsspitze Foto: Georg Wendt/dpa

Hamburg taz | Es sind zwei relativ unbekannte Gesichter: Mit einer quotierten Doppelspitze gehen die Grünen in die neue Legislaturperiode. Jennifer Jasberg und Dominik Lorenzen beerben den zum Verkehrssenator aufgestiegenen bisherigen Fraktionschef Anjes Tjarks.

Beide sind noch recht neu in der Bürgerschaft: Während die Bergedorferin Jasberg gerade erst in das Hamburger Feierabend-Parlament einzog, ist Lorenzen seit November 2018 dabei, als er für die ausscheidende Abgeordnete und heutige Altonaer Bezirksamtschefin Stefanie von Berg nachrückte.

Die Entscheidung für das Newcomer-Duo fiel in einer zum „Meinungsbild“ verniedlichten Kampfabstimmung. Gegen Jasberg und Lorenzen waren der Parteilinke Michael Gwosdz und die bisherige Fraktionsvizechefin Mareike Engels, deren Name für den Fraktionsvorsitz seit Wochen gehandelt wurde, angetreten.

Nachdem Engels und Gwosdz beim Meinungsbild mit 13 zu 19 Stimmen überraschend klar unterlagen, zogen beide ihre Kandidatur zurück. Engels unterlag anschließend noch der Wandsbeker Grünen Maryam Blumenthal bei der Wahl zur Vize-Fraktionschefin und verließ am Ende des Abends konsterniert die Fraktionssitzung. Auch Farid Müller wurde von der neu zusammengesetzten Fraktion demontiert und verlor seinen Job als Parlamentarischer Geschäftsführer an Michael Gwosdz. Eine Wahl, die Wunden aufriss und Kopfschütteln hinterließ.

Tjarks hinterlässt große Spuren

Denn auch ohne Gegenkandidatur schaffte es der neue Fraktionsvorstand nicht, die Grünen-Abgeordneten geschlossen hinter sich zu bringen. Das Duo erhielt erstaunlich wenige Ja-Stimmen: Jasberg nur 19 (57,6%), Lorenzen immerhin 21 (63,6%) von 33 abgegebenen Stimmen.

Immerhin acht grüne ParlamentarierInnen stimmten gegen Lorenzen, neun gegen Jasberg. Ein Ergebnis, dass sich wie eine Niederlage anfühlen muss. Zum Vergleich: Vorgänger Tjarks hatte im vergangenen Jahr bei seiner Wiederwahl zum Fraktionschef keine einzige Gegenstimme erhalten.

Nun aber muss das nur mit schwachem Fraktionsvotum und wenig Bürgerschaftserfahrung ausgestattete Duo die 33-köpfige Fraktion – darunter 20 NovizInnen – einen und nach außen repräsentieren. Tjarks, der zuerst mit Ex-SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, dann mit dessen Nachfolger Dirk Kienscherf der rot-grünen Parlamentsmehrheit Profil gab und zudem mit diversen Volksinitiativen tragfähige Kompromisse aushandelte, hinterlässt große Spuren.

Ob Lorenzen und Jasberg, an der Seite des am Montag als SPD-Fraktionschef bestätigten Kienscherf, das Profil der Grünen in der Koalition stärken können, wird innerhalb der Partei von vielen bezweifelt.

Die Neuen

Jennifer Jasberg, 37, ist Kreischefin der Grünen Bergedorf. Bei der Wahl erhielt sie ein Direktmandat in Bergedorf für die Bürgerschaft.

Dominik Lorenzen, 42, war seit 2017 Mitglied der Bezirksversammlung Eimsbüttel, bis er Ende 2018 in die Bürgerschaft nachrückte. Bei der Wahl erhielt er ein Mandat über die Landesliste.

Zumindest inhaltlich knüpft der 42-jährige Lorenzen als bisheriger wirtschafts- und hafenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion an die inhaltlichen Schwerpunkte seines Vorgängers Tjarks an. Der Niendorfer Unternehmer, der den „Rebellen“ angehörte, die 2017 die Handelskammer-Führung ablösten, will die Betriebe und auch den Schiffs- und Flugverkehr grüner machen, wirbt für den Öko-Umbau der Wirtschaft und setzte sich zuletzt – im Widerstreit zu vielen ParteigenossInnen – für Autokinos in Hamburg in Zeiten der Coronakrise ein.

Jasbergs selbstgewählte Schwerpunkte sind vor allem der Erhalt der BürgerInnenrechte, die Digitalisiserung und eine ökologische Agrarwende.

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4 Kommentare

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  • Lasst sie doch erstmal machen.



    In einem oder zwei Jahren wählt die Fraktion doch wieder.

  • Vielleicht ist das notwendig - ein Neustart. Immerhin sind das zwei agile und schlaue Menschen.

  • Eine ökologische. Agrarwende ist natürlich ein Thema von großer Bedeutung für die Hamburger Bürgerschaft.

    • @Ruediger:

      Dort wohnen die ganzen reichen Konsumenten, die mit ihrem Konsumverhalten am ehesten die Bauern zum Umdenken bewegen können. Dort wohnen, auf die Fläche gesehen, überhaupt viel mehr Konsumenten als in jedem Flächenland.

      Öming vom Lande wird da nichts reißen können, und die Flächenländer kommen gegen die Bauernlobby bestimmt nicht an.

      Das passt also schon so.