Neuland-Etikettenschwindel: Der grüne Vordenker soll es richten
Zuletzt arbeitete er nur noch privat als Ökobauer. Aber nun ist Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf wieder da. Er soll die Marke Neuland retten.
BERLIN taz | Ist Helmut Schmidt der weise Mann für Weltpolitik, Heiner Geißler der fürs soziale Gewissen, dann ist Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf der für gute Lebensmittel. Der 71-jährige Landwirt soll nun Neuland retten, jene Marke, die Fleisch von Tieren verspricht, die ein artgerechtes Leben hatten. Im April war aufgeflogen, dass unter diesem Label im großen Stil falsch deklariertes Hähnchenfleisch verkauft wurde. Das hatte die Branche jenseits der Industriemast in eine gewaltige Imagekrise gestürzt.
Graefe zu Baringdorf, dessen Markenzeichen braune Breitcordhosen und lindgrüne Strickjacken sind, fährt an diesem Dienstag erstmals von seinem Biobauernhof im Westfälischen in sein neues Büro. Dieses gehört der Neuland GmbH Produktvermarktung im niedersächsischen Bad Bevensen, einer der drei Gesellschaften, die sich bundesweit um den Vertrieb von Fleisch mit Neuland-Etikett kümmern. „Ab sofort“, sagt er, ist er Geschäftsführer. Sein Vorgänger wurde Anfang September entlassen.
Graefe zu Baringdorf ist für die Lieferanten aus dem Norden zuständig. Dazu gehörte auch der Geflügelmäster, der zuerst mit dem Etikettenschwindel auffiel. Von Betrug spricht er nicht, aber schon von „einigen Verfehlungen, die sich gegen unsere eigenen Grundsätze richten“.
Graefe zu Baringdorf gilt als einer der einflussreichsten Befürworter der ökologischen und tiergerechten Landwirtschaft. Er war rund 20 Jahre lang Europa-Abgeordneter der Grünen und deren Agrarexperte, zudem Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die sich als Gegenspieler zum traditionellen Bauernverband begreift. Er schimpfte in Talkshows und Interviews über die deutschen Agrar-Offiziellen, über ihre BSE- oder Subventionspolitik. Zuletzt ist es ruhiger um ihn geworden, er ackerte vor allem auf seinen Ökofeldern.
Warum er nun in die Betriebswirtschaft wechselt? „Der Laden darf nicht auseinanderfliegen“, sagt er. Er habe immer Unterstützung zugesagt. Da spielt es keine Rolle, dass Baringdorf auch Vorstand im Neuland-Verein ist – und damit für die Kontrolle und die Richtlinien zuständig: „Es musste etwas geschehen.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlerfolg der Linken
Keine Zeit, jetzt lang zu feiern