Neues iPhone mit Fingerabdruckscanner: Alles wird ganz einfach!
Apple hin, NSA und Sascha Lobo her – Datenskandale interessieren die Mehrheit der Menschen einen Dreck: Was der Scanner im neuen iPhone beweist.
Hat denn niemand Erbarmen mit den Heerscharen von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern? Was die für Mühen auf sich nehmen mussten, um an ein paar lausige Informationen heranzukommen! Und nun sitzen sie auf ihrem Sofa und schauen fassungslos nach Kalifornien, wo Apple gerade seine neuen Produkte vorstellt, und weinen bitterlich.
Die kommende iPhone-Generation nämlich verfügt über einen Fingerabdruckscanner, mit dem der Nutzer sich das lästige Geheimzahl-Eintippen beim Start des Geräts sparen kann. Selbstverständlich, beruhigt Apple, würden diese Daten nur auf dem Telefon selbst gespeichert, dazu auch noch tiptop verschlüsselt. Sie sind für die NSA damit mindestens so unknackbar, wie die Titanic unsinkbar war.
Es ist schon erstaunlich: Bei der westdeutschen Volkszählung in den Achtzigern gab es – für heutige Maßstäbe – geradezu Tumulte, und als Google losfuhr, um ganz normale Straßenansichten zu fotografieren, die für jeden, der seine Wohnung auch mal verlässt, problemlos ansehbar waren, brandete noch eine respektable Protestwelle auf. Die Aufregung beim NSA-Skandal dagegen wirkte über weite Strecken eher pflichtschuldig.
Klar, irgendwie fand man’s doof, für ein paar lustige Sprüche unter den eigenen Mails – „mit besten Grüßen auch an die NSA“ – reichte es gerade noch, aber letztlich hat es kaum jemanden ernsthaft interessiert. Weder kam es zu einem Wiedererstarken der Piraten, noch war das Thema überhaupt im Wahlkampf sonderlich präsent.
Die Bevölkerung kichert ein wenig
Es spielt sogar eine so untergeordnete Rolle, dass die CDU es sich leisten kann, etwa folgende Einschätzung zu vertreten: Es gab nie illegale Aktivitäten, die aber zudem auch beendet sind und, wie uns fest versprochen wurde, in Zukunft nicht wieder vorkommen sollen, außerdem betrifft uns das in Deutschland sowieso nicht, außer wenn wir bei uns ins Flugzeug steigen, das dadurch nämlich sicherer wird.
Die Bevölkerung kichert ein wenig und zuckt anschließend mit den Schultern, den Umfragewerten tut’s keinen Abbruch Offensichtlich, da kann Sascha Lobo zetern, wie er will, interessiert das alles die Mehrheit der Menschen einen Dreck.
Klar, irgendwie ist es vielen schon ein bisschen unheimlich, und was Facebook da dauernd mit seinen Nutzungsbedingungen macht, findet man auch nicht so richtig gut, aber wer will das alles schon ernsthaft durchlesen, geschweige denn, Konsequenzen daraus ziehen?
Es herrscht ganz offensichtlich ein unerschütterliches Vertrauen darin, dass weder eine Regierung noch ein Wirtschaftsunternehmen diese im Vergleich zu seligen Volkszählungszeiten atemberaubenden Überwachungsmöglichkeiten missbraucht. Jedenfalls nicht in einem Sinne, der einen persönlich stören würde. Sollen die Amis sich die Swift-Transfers oder das brasilianische Ölgeschäft doch angucken, wenn es sie so sehr interessiert.
Und nun also, nachdem wir gerade hingenommen haben, dass die NSA in unseren Smartphones liest wie in einem Internetangebot ohne Bezahlschranke, der Fingerabdruckscanner beim iPhone. Natürlich, so etwas gab es für Laptops (und sogar auch für Handys) schon früher. Außerdem ist er ja sicher, das hat Tim Cook uns persönlich versprochen. Und wirklich praktisch.
Bald Standard
Genau – praktisch. Deshalb muss man kein Technikexperte sein, um vorherzusagen, was passieren wird: Angesichts der Trendsetting-Macht, über die Apple verfügt, wird die lustige kleine Technikspielerei bald standardmäßig an allen Smartphones zu finden sein.
Nun liegt es zwar immer noch an jedem selbst, ob er so ein Ding kauft und nutzt oder nicht, aber da werden Komfortbedürfnis und soziales Umfeld rasch ganze Arbeit leisten. Und was hat Apple einst erst richtig groß gemacht? Die revolutionär einfache Kauf-Möglichkeit im Applestore.
Die aber immer noch vergleichsweise kompliziert ist, wenn die Alternative lautet, von der Konto-Überweisung bis zum Download der aktuellsten Single alles per einfachem Fingerdruck zu erledigen. Das mit den Bank- und Kreditkartendaten zu koppeln, dürfte technisch ein Klacks sein. Alles wird dann sehr, sehr einfach.
Ganz bestimmt wird es der NSA oder sonstigen Hackern nie gelingen, an die Daten heranzukommen. Und falls doch, werden sie bestimmt nichts Böses damit anstellen. Hoffen wir mal, dass die Masse damit Recht behält. Vertrauen ist schließlich eine schöne Sache, und wir sollten uns bemühen, immer das Gute im Menschen zu sehen.
Also, eigentlich gibt es nichts zu mäkeln an den neuen iPhones? Oh doch – dieses Plastik, das sieht voll billig aus. Und die Farben, dieses Gold, das geht wirklich gar nicht! Wenn das mal nicht doch noch ernsthafte Unruhen auslöst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt