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Neues Verbraucherportal im NetzSind die weißen Würmer wirklich Käse?

Bürger können sich nun offiziell im Internet über Etikettenschwindel beschweren. Verbraucherschützern geht das noch nicht weit genug, die Lobby hingegen ist entsetzt.

TK-Pizza: lecker und gesund - dank jeder Menge bester Zutaten. Bild: imago/Dean Pictures

BERLIN taz | Sind die weißen Würmer auf meiner Pizza wirklich aus Käse? Solche und ähnliche Fragen zu Produktaufmachung und -kennzeichnung werden Bürgern seit Mittwoch auf dem von den Verbraucherzentralen betriebenen Internetportal "lebensmittelklarheit.de" beantwortet. Beschweren kann man sich da auch, das tut der Deutsche gerne. Die zu erwartende Resonanz ist also beträchtlich.

Neu ist diese Idee nicht. Seit 2007 kann man unter abgespeist.de bei der Verbraucherschutzorganisation "Foodwatch" Etikettenschwindel und Täuschungen melden. Die Organisation vergibt sogar jährlich den "Goldenen Windbeutel" für die dreisteste Täuschung. Dort gingen bereits 3.300 Vorschläge und Beschwerden ein. Durch von Foodwatch initiierte Verteiler wurden die entsprechenden Firmen daraufhin mit über 150.000 E-Mails bombardiert.

Wer sich auf lebensmittelklarheit.de über die Abwesenheit von Studenten im Studentenfutter beklagen will, wird seine Beschwerde wohl nicht im Netz wiederfinden. Keine Antwort erhält auch, wenn "Laboruntersuchungen, sensorische Prüfungen und/oder andere Prüfverfahren" notwendig seien um den Sachverhalt zu klären, ist auf der Webseite zu lesen. In diesem Fall würde die Lebensmittelüberwachung informiert.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) findet das neue Verbraucherportal gar nicht lustig. Deren Vorsitzende Franz-Josef Möllenberg teilte am Dienstag mit, er fürchte einen Angriff auf "eine ganze Branche und ihre Beschäftigten" sowie willkürliche Kontrollen durch die Verbraucher. Weiter verweist er auf die Bindung der Unternehmen an geltendes Recht. Genau dieses Recht aber erlaubt sehr großzügige Freiheiten bei der Deklaration von Lebensmitteln.

"Klarheit und Wahrheit für alle"

Die legale Anerkennung der Täuschung ist gängige Praxis. Genau an diesem Punkt könnte sich aber das Portal als sehr wertvoll erweisen. Wird es von den Verbrauchern gut angenommen, könnte die Diskussion um die Lebensmittelkennzeichnung weiter in den gesellschaftlichen Fokus rücken und so Druck auf die Politik ausgeübt werden. Das ist auch die Hoffnung von Christine Groß von Foodwatch. Das neue Portal sei grundsätzlich gut, es sei aber nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Vielmehr müssten entsprechende Erkenntnisse, die in vielen Fällen seit Jahren bekannt seinen, in Gesetze übertragen werden. Es gelte, "Klarheit und Wahrheit für alle Verbraucher, nicht nur für einzelne zu schaffen".

Die dafür zuständige Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hat sich bis jetzt allerdings nicht als große Reformerin erwiesen. Bei der gerade auf EU-Ebene verhandelten Nährwert-Ampel bremste sie ebenso wie bei der Herkunftsdeklaration von Hühnerprodukten. Ein etwas verwundert vorgetragenes Lob erhält Aigner dann doch noch. Groß freue sich über die Förderung von lebensmittelklarheit.de durch das Bundesministerium mit immerhin 775.000 Euro für zwei Jahre. Ein erster Schritt - mehr nicht.

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17 Kommentare

 / 
  • V
    vic

    Sind sicher immer nette Aufenthalte in den Schweizer Bergen -sponsort by Nestlè am Genfer See- für unsere "Verbraucherschutz"ministerin Aigner.

  • M
    menschenfreund

    Ich bin nicht religiös. Die Christen beten: „Unser täglich Brot gib uns heute.“

    Ich meine, von Chemieschei…ß ist da nicht die Rede. Auch nicht von verfälschtem, b.z.w. falsch deklariertem Fraß. Die tollen Lug- und Trugbilder, als Lockmittel für arglose Kunden denen sie ihren Mist andrehen, kein Wort. Devise: Alles zum Nutzen der Hersteller und zum Schaden der „Genießer“. Für solche Wohltaten soll man nicht Roß und Reiter nennen? Zum Nachteil „ehrbarer Kaufleute“?

    Darum auch: …„die Lobby hingegen ist entsetzt“…

    Rotzfrech. Dreister geht’s kaum. Das macht mich wütend. Diese „Lobby“ erscheint mir geradezu als kriminelle Vereinigung mit besonderer krimineller Energie.

    Diese Unsäglichen werden wissen, wer dem Gesetzgeber bei Formulierung dieser unfaßbaren Gesetze, die nach meiner Meinung dreisten Betrug erlaubten, die Hand geführt hat. Möglicherweise wurden erhebliche Gesundheitsschädigungen legitimiert.

    Daß sich „die Politik“ für solche Machenschaften als „Volksvertreter“ hergibt, ist eine Sache. Eine andere ist es, sich darüber zu empören, öffentlich als das dargestellt zu werden, was sie meiner Meinung nach sind: Lügner und Betrüger.

    Diese Dreistigkeitsakrobaten untergraben in ihrer hemmungslosen Gier mein Recht, mich nach meinen Vorstellungen- und vor allem gesund zu ernähren.

  • DM
    Doc Mison

    Wenn die Lebensmittelindustrie sich bei der Herstellung der Produkte kaum auf die Finger schauen lasst, ist doch klar, dass sich solche Portale durchsetzen. Ich will schliesslich wissen, was ich esse. Und wir wissen ja inzwischen, dass das System des freien Marktes im Kapitalismus nur dafür sorgt, dass in der Lebensmittelproduktion nicht die Besten Rohstoffe und Produktionsverfahren sondern die billigsten verwendet werden. Da ist Kontrolle sehr notwendig. Ach ja ich bin immer noch der Meinung das Verbraucherschutzministerium nur zum Schutz der Industrie vor den Verbrauchern ist. Frei nach Orwells Neusprech.

  • E
    emil

    transparenz für alle.

    ich krieg zu viele wenn mein umfeld zur milchschnitte greift und sich wundert dick zu werden.

     

    umdrehen zutaten ankucken und feststellen, soviele E-Stoffe können nicht gesund sein.

    warum besteht käse eigentlich aus mehr als aus milch und lab? da fragen sie mal bei frico nach, die panschen da noch allerhand krams rein. wer käse liebt sollte frico tunlichst meiden, das hat mit käse nur noch eingeschränkt zu tun.

  • N
    Nike

    Es ist schon interessant, dass die Meinung von Verbrauchern als willkürliche Kontrollen diffamiert werden (wenn auch nur von der Gewerkschaft). Wie sehen sich die Herrschaften, die solche Aussagen machen wohl selbst? Für wen produziert man wohl die Lebensmittel, wenn einen so eine Website so gegen den Strich geht?

  • AT
    Abby Thur

    "willkürliche Kontrollen durch die Verbraucher"

     

    Herrlich. Da bekommen aber welche wirklich Muffensausen.

  • DT
    das tut der Deutsche gerne

    'Beschweren, das tut der Deutsche gerne'

     

    achso.

     

    junge türken gehen gerne klauen und leute schlagen.

  • D
    deviant

    Wenn ich, wie die Lebensmittelindustrie, jahrzehntelang die politischen Parteien mit meinen Millionen zugeschissen hätte, um zu erreichen, dass ich den Verbraucher nach Herzenslust bescheißen und der nichts dagegen tun kann, würde ich heute auch behaupten, dass Portal sei Mist, weil die Etiketten schließlich gesetzeskonform seien...

     

    Wer mich da gleich mal beschweren: In meinen Windbeuteln war gar kein Wind, nur ein laues Lüftchen kam mir aus der Verpackung entgegen!

     

    PS: Einfach ganz genau hinsehen und hinhören! Wenn es in der Werbung über eine Konfitüre heisst: "_Schmeckt_ so frisch, dass sie im Kühlregal steht" und nicht "_Ist_ so frisch, ...", dann ist sie eben nicht frisch und hat es hat auch niemand, dass sie frisch sei. Lebensmittelhersteller sind keine Wohltäter, sondern gierige Kapitalisten; und Pilze auf Sägespänen sind eben billiger als echte Erdbeeren und ganz nebenbei auch "natürliches Aroma".

  • M
    magnussen

    Die Seite lebensmittelklarheit.de ist nicht wirklich ernst zu nehmen. Zum Beispiel wird man dort aufgefordert, zu sagen wieviel Prozent Kalbsfleisch man in einer Kalbswiener erwartet. Logisch wäre gewesen, natürlich auch zu erfragen wieviel Wiener drin sein müssen. (--> Parallele: "Hämmbörgär")

    Es kommt mir so vor, als versuchte man damit ein wenig den Druck aus dem Kessel zu nehmen, denn die skandalumwitterte Lobbytussi Aigner tut sich ja nicht gerade als Vorkämpferin für Verbraucherinteressen hervor und auch die CSU-Nieten in der Bundesregierung w o l l e n bald wiedergewählt werden.

  • V
    vic

    Sind sicher immer nette Aufenthalte in den Schweizer Bergen -sponsort by Nestlè am Genfer See- für unsere "Verbraucherschutz"ministerin Aigner.

  • M
    menschenfreund

    Ich bin nicht religiös. Die Christen beten: „Unser täglich Brot gib uns heute.“

    Ich meine, von Chemieschei…ß ist da nicht die Rede. Auch nicht von verfälschtem, b.z.w. falsch deklariertem Fraß. Die tollen Lug- und Trugbilder, als Lockmittel für arglose Kunden denen sie ihren Mist andrehen, kein Wort. Devise: Alles zum Nutzen der Hersteller und zum Schaden der „Genießer“. Für solche Wohltaten soll man nicht Roß und Reiter nennen? Zum Nachteil „ehrbarer Kaufleute“?

    Darum auch: …„die Lobby hingegen ist entsetzt“…

    Rotzfrech. Dreister geht’s kaum. Das macht mich wütend. Diese „Lobby“ erscheint mir geradezu als kriminelle Vereinigung mit besonderer krimineller Energie.

    Diese Unsäglichen werden wissen, wer dem Gesetzgeber bei Formulierung dieser unfaßbaren Gesetze, die nach meiner Meinung dreisten Betrug erlaubten, die Hand geführt hat. Möglicherweise wurden erhebliche Gesundheitsschädigungen legitimiert.

    Daß sich „die Politik“ für solche Machenschaften als „Volksvertreter“ hergibt, ist eine Sache. Eine andere ist es, sich darüber zu empören, öffentlich als das dargestellt zu werden, was sie meiner Meinung nach sind: Lügner und Betrüger.

    Diese Dreistigkeitsakrobaten untergraben in ihrer hemmungslosen Gier mein Recht, mich nach meinen Vorstellungen- und vor allem gesund zu ernähren.

  • DM
    Doc Mison

    Wenn die Lebensmittelindustrie sich bei der Herstellung der Produkte kaum auf die Finger schauen lasst, ist doch klar, dass sich solche Portale durchsetzen. Ich will schliesslich wissen, was ich esse. Und wir wissen ja inzwischen, dass das System des freien Marktes im Kapitalismus nur dafür sorgt, dass in der Lebensmittelproduktion nicht die Besten Rohstoffe und Produktionsverfahren sondern die billigsten verwendet werden. Da ist Kontrolle sehr notwendig. Ach ja ich bin immer noch der Meinung das Verbraucherschutzministerium nur zum Schutz der Industrie vor den Verbrauchern ist. Frei nach Orwells Neusprech.

  • E
    emil

    transparenz für alle.

    ich krieg zu viele wenn mein umfeld zur milchschnitte greift und sich wundert dick zu werden.

     

    umdrehen zutaten ankucken und feststellen, soviele E-Stoffe können nicht gesund sein.

    warum besteht käse eigentlich aus mehr als aus milch und lab? da fragen sie mal bei frico nach, die panschen da noch allerhand krams rein. wer käse liebt sollte frico tunlichst meiden, das hat mit käse nur noch eingeschränkt zu tun.

  • N
    Nike

    Es ist schon interessant, dass die Meinung von Verbrauchern als willkürliche Kontrollen diffamiert werden (wenn auch nur von der Gewerkschaft). Wie sehen sich die Herrschaften, die solche Aussagen machen wohl selbst? Für wen produziert man wohl die Lebensmittel, wenn einen so eine Website so gegen den Strich geht?

  • AT
    Abby Thur

    "willkürliche Kontrollen durch die Verbraucher"

     

    Herrlich. Da bekommen aber welche wirklich Muffensausen.

  • DT
    das tut der Deutsche gerne

    'Beschweren, das tut der Deutsche gerne'

     

    achso.

     

    junge türken gehen gerne klauen und leute schlagen.

  • D
    deviant

    Wenn ich, wie die Lebensmittelindustrie, jahrzehntelang die politischen Parteien mit meinen Millionen zugeschissen hätte, um zu erreichen, dass ich den Verbraucher nach Herzenslust bescheißen und der nichts dagegen tun kann, würde ich heute auch behaupten, dass Portal sei Mist, weil die Etiketten schließlich gesetzeskonform seien...

     

    Wer mich da gleich mal beschweren: In meinen Windbeuteln war gar kein Wind, nur ein laues Lüftchen kam mir aus der Verpackung entgegen!

     

    PS: Einfach ganz genau hinsehen und hinhören! Wenn es in der Werbung über eine Konfitüre heisst: "_Schmeckt_ so frisch, dass sie im Kühlregal steht" und nicht "_Ist_ so frisch, ...", dann ist sie eben nicht frisch und hat es hat auch niemand, dass sie frisch sei. Lebensmittelhersteller sind keine Wohltäter, sondern gierige Kapitalisten; und Pilze auf Sägespänen sind eben billiger als echte Erdbeeren und ganz nebenbei auch "natürliches Aroma".