Neues Tomte-Album: Frechheit siegt
Thees Uhlmann gibt mal wieder den Krawallo-Poeten und seine Band Tomte erzählen auf ihrem Album "Heureka" einmal mehr die Ur-Geschichte von der Stadt mit dem Wasser.
W enn Thees Uhlmann seinen eigenen Namen an prominentester Stelle in einen Song einbaut, obwohl er Thees Uhlmann heißt und nicht zum Beispiel Jenny, dann hat er es zumindest geschafft, etwas Originäres rauszuhauen - und das ist bekanntlich schwer in der Zitatewelt des Pop. Dafür braucht es große egomanische Dreistigkeit. "Du hast gelächelt und ich sagte dann / Sincerely, Thees Uhlmann", geht die Zeile aus "New York".
Wenn Tomte das bei einem Konzert spielen - ihre Hymne auf die Straßen der Großstadt und die Erinnerung, wobei eigentlich alle Tomte-Songs Hymnen auf die Straßen der Großstadt und die Erinnerung sind -, hält er gern an betreffender Stelle das Mikro Richtung Publikum und lässt die jungen Menschen, nicht selten an die Tausende, seinen Namen singen. Thees Uhlmann trägt so eine sesamstraßenhafte, manchmal allzu virile, dann wieder niedliche Hyperaktivität vor sich her; auf der Bühne sowieso, dahinter auch. Manchmal bloggt er besoffen in die Nacht hinaus: "das war sehr schön heute abend. nuff said! fuck off! on we sail!"
Während Tocotronics Dirk von Lowtzow, der "verschnupfte Lord", wie der Spiegel ihn einmal nannte, im Interview meist eine größere Anzahl von Ismen verwendet, inszeniert sich Uhlmann, bekennender Oasis-Fan, eher als Krawallo-Poet. Der immer noch Jeansjacke trägt und nicht davon abrücken wird, dass das Leben vielleicht alles ist, aber sicher nicht klein und scheiße (Letzteres eine Zeile von Kettcar, der anderen Hamburger Band, der man ebenfalls gerne ihr "Befindlichkeitspathos" vorwirft, eines dieser Wörter, die jeder von jedem abschreibt). Auch wenn er seine ersten Schritte in die große Popöffentlichkeit als Tocotronic-Fan hatte, 1999 veröffentlichte er ein Tagebuch seiner Zeit mit Tocotronic auf Tour. So klangen Tomte zuerst auch wie eine heruntergedimmte Fanband.
"Hinter all diesen Fenstern", die Platte, mit der Tomte und ihr Wir-sind-eine-Familie-Label Grand Hotel van Cleef 2003 den Durchbruch schafften, war dann die ganz große Übertreibung. Sie brach die Standard-Introspektion im Indiepop: Es ging nun um die Leute da draußen, die Orte und das Netz aus Geschichten, das sie verbindet. Natürlich auch um das Suchen und Finden und "die Bastarde, die dich jetzt nach Hause bringen" - einer der besten Songtitel überhaupt. Den Lieblingsrefrain der Kids, die mit Eddings an Wände schreiben, gab es allerdings schon mal bei den Flaming Lips ("Das ist nicht die Sonne, die untergeht, sondern die Erde, die sich dreht"). Auch das ist so ein Tomte-Spezifikum: aus den Liedern der eigenen Fan-Biografie, gleichermaßen genialisch und doof, eins zu eins übersetzte Zeilen. So wurde "William, it was really nothing" von den Smiths zu Tomtes erstem Jugendcenter-Hit "Wilhelm, das war nichts".
Auf "Heureka" (altgriechisch etwa "Ha! Ich habs!"), dem mittlerweile fünften Album - le Uhlmann, wie er sich gerne nennt, ist übrigens das einzig verbliebene Gründungsmitglied -, funktioniert dies alles noch genauso. Es wird wieder durch nächtliche Straßen spaziert und behauptet, dass das Leben schön sei. Korrekterweise müsste es immer "mein" Leben heißen, denn erzähl das mal einem Kongolesen, möchte man sagen, aber das ist wohl nicht der Punkt - wobei das Tollste am Leben am Ende immer so was ist, wie betrunken traurige Musik zu hören.
Gute Zeilen wie "Ich glaube, du brennst", was man wahlweise als Slapstick oder Pathos lesen kann, folgen dabei auf sehr schlechte Zeilen, die irgendwie wieder gut sind ("Du bist das Beil, ich bin der Wald"). Produziert wurde das Album von Tobias Kuhn, der eher auf der Seite des Schlichten und Stillen steht. An einigen Stellen stand zu lesen, "Heureka" sei "hemdsärmeliger" geraten - dabei gibt es Piano, Chöre, und "ich wander" beginnt mit einem jener Gitarre-und-Schlagzeug-Parts, mit denen sich automatisch der Herzschlag synchronisiert, ob man jetzt will oder nicht. Wo ist da das Hemd?
Mit "Wie siehts jetzt in Hamburg aus" liefern Tomte dann nochmal ihre Ur-Geschichte von der Stadt mit dem Wasser ab, diesmal aus der sicheren Distanz des Berliner Exils. Für die, die es schon mal hatten, klingt dies alles recht nichtig und leer. Die, die es noch nicht kennen, kann es vielleicht durch den Winter bringen. Nuff said, fuck off, on we sail.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby