Neues Sparpaket in Italien: Berlusconi besteuert seine Freunde
Angesichts des Drucks der Finanzmärkte verabschiedet Italiens Regierung ein zweites Sparpaket. Reiche werden besteuert, Stellen abgebaut und Feiertage gestrichen.
BERLIN taz/afp | So sehr hat sich Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi all die Jahre damit gerühmt, Wohlhabenden nicht in die Tasche gegriffen zu haben. Aber nun sieht er offenbar doch keinen anderen Ausweg: Die Situation in der Welt habe sich verändert, begründete er die Entscheidung, fügte jedoch hinzu: "Uns blutet das Herz."
Im Kampf gegen die stetig näher rückende Schulden- und Wirtschaftskrise hat Italiens Regierung ein zweites, mehr als 45 Milliarden Euro teures Spar- und Wachstumspaket verabschiedet. Bereits im Juni hatte Italiens Wirtschafts- und Finanzminister Giulio Tremonti ein Programm in ähnlicher Höhe auflegen müssen, um die Finanzmärkte zu beruhigen.
Das zweite Sparpaket dürfte die Italiener noch stärker treffen. So werden Provinzregierungen und Kommunen dazu angehalten, in den nächsten zwei Jahren bis zu 50.000 Stellen abzubauen. Das Rentenalter für Frauen soll früher als geplant auf 65 Jahre erhöht werden. Die Tabaksteuer wird angehoben. Und auch einige Feiertage werden gestrichen. Gewerkschaften kündigten bereits Proteste und Streiks an.
Immerhin: Erstmals in Berlusconis Amtszeit sollen auch Besserverdienende stärker in die Pflicht genommen werden. Wer ein Jahreseinkommen von mehr als 90.000 Euro hat, soll künftig Zusatzsteuern von 5 bis 10 Prozent bezahlen. Insgesamt will Italiens Regierung im kommenden Jahr rund 20 Milliarden einsparen, im Jahr darauf weitere 25 Milliarden – all das, um auf den Finanzmärkten aus der Schusslinie zu geraten.
Noch gefährlicher als 2008
Nach Griechenland, Portugal und Spanien steht spätestens seit Mitte Juli auch Italien heftig unter dem Druck von Anlegern. Um Staatskosten decken zu können, muss die italienische Regierung Investoren zunehmend höhere Zinsen für ihre Staatsanleihen bieten. Die Renditen für italienische Papiere sind in der vergangenen Woche auf den höchsten Wert seit Einführung des Euros vor elf Jahren gestiegen. Dass es nun zu einem zweiten Paket kommt, begründet Tremonti damit, dass die Krise im Euroraum einen anderen Verlauf genommen habe als erwartet und auch noch lange nicht zu Ende sei.
Ähnlich dramatisch schätzt Weltbank-Chef Robert Zoellick die Lage im Euroraum ein. In der australischen Zeitung Weekend Australian warnte er vor einer "neuen und gefährlicheren" Zeit mit Folgen für die gesamte Weltwirtschaft. Die Schuldenkrise im Euroraum sei sehr viel gefährlicher als die Probleme in den USA, weil die bisherigen Maßnahmen nicht genügten.
Nach Ansicht des Weltbank-Chefs ist die jetzige Krise auf beiden Seiten des Atlantiks auch deshalb so dramatisch, weil die Regierungen, anders als 2008 nach der Lehman-Pleite, mit ihren inzwischen leeren Kassen nun viel weniger Spielraum haben.
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