Neues Parlament in Thüringen: Auf Bewährung
Die Linke Birgit Keller ist neue Landtagspräsidentin von Thüringen – mit Stimmen aus CDU und FDP. Das Parlament rückt zusammen gegen die AfD.
D as hat prima geklappt: In Thüringen ist die Linken-Abgeordnete Birgit Keller am Dienstag zur Landtagspräsidentin gewählt worden. Sie erhielt auf Anhieb die absolute Mehrheit – und zehn Stimmen, die nicht von der geschäftsführenden Koalition aus Linken, Grünen und SPD stammen können, sondern sehr wahrscheinlich von CDU- und FDP-Abgeordneten.
Das Worst-Case-Szenario, dass eine erstarkte AfD die erste Landtagssitzung nutzen könnte, um zu demonstrieren, dass Mehrheiten auch mit ihr möglich sind, ist nicht eingetreten.
Eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung in Thüringen ist jetzt wahrscheinlicher geworden. Doch CDU und FDP schließen eine Zusammenarbeit mit der Linken weiterhin aus. Das bedeutet, dass die Koalition mit SPD und Grünen, die allen drei Partner:innen weiterhin als Wunschbündnis gilt, der aber vier Stimmen zur absoluten Mehrheit fehlen, in jeder einzelnen Sachfrage auf die Opposition zugehen muss.
Ob es um den Haushalt, die Einstellung von Lehrer:innen oder die Versickerung von Niederschlagswasser geht: All das soll künftig auf offener Bühne, im Parlament ausgehandelt werden. Denn Vorabsprachen lehnen sowohl CDU als auch FDP ab. So dämlich die Argumente dafür sein mögen, für das Parlament ist das eine Stärkung: Die Stimme der einzelnen Abgeordneten gewinnt an Gewicht.
Die Gefahren sind dennoch offensichtlich. Angesichts einer labilen CDU in der Selbstfindung mit deutlichem Rechtsdrall und einem angezählten Vorsitzenden kann es die AfD jederzeit auf eine Kraftprobe ankommen lassen. Was wohl passiert, wenn sie Gesetzentwürfe einbringt, die den Ausbau der Windkraft stoppen oder die Abschiebung von Asylbewerbern beschleunigen sollen? Dann würden sich Linke, Grüne und SPD ihrer Minderheitsposition wohl schmerzlich bewusst.
Die nächste Bewährungsprobe für das Parlament steht im Februar an. Dann will sich der Linke Bodo Ramelow wieder zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Mal sehen, ob es für eine demokratische Mehrheit reicht.
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