Neues Jugendgefängnis in Hamburg: Big Brother im Knast

Der Hamburger Senat hat den Neubau einer Jugendvollzugsanstalt beschlossen. Opposition und Expert*innen kritisieren das Baukonzept.

Nicht sehr einladend: So soll das neue Gefängnis aussehen Foto: agn Niederberghaus & Partner

HAMBURG taz | Der Senat hat sich auf den Neubau der Jugendvollzugsanstalt in Billwerder geeinigt. Die Anstalt soll künftig Platz für 200 Jugendliche bieten. Justizsenator Till Steffen (Grüne) hält die Entscheidung für einen „Wendepunkt“ des Hamburger Justizvollzugs.

Dabei ist der Bauplan des Geländes hoch umstritten. Der Jugendvollzugsexperte des Deutschen Instituts für Sozialwirtschaft Bernd Maelicke hält das Konzept für eine Fehlplanung, denn statt auf Resozialisierung sei das Gelände einzig auf Überwachung ausgerichtet. Auch die Bürgerschaftopposition kritisiert das Konzept.

Justizsenator Steffen freut besonders, dass durch den Bau der gemeinsam mit CDU und FDP geschlossene Justizfrieden umgesetzt werde. 164 Millionen Euro soll die neue Anstalt kosten und direkt an die 2003 erbaute JVA Billwerder angrenzen. Die Gebäude für den offenen Vollzug sowie für den Jugendarrest sollen ebenfalls in direkter Nachbarschaft, aber außerhalb der Gefängnismauern entstehen. Voraussichtlich 2026 soll der Betrieb starten.

Nachdem im April 2018 mit den Planungen begonnen wurde, holte sich die Justizbehörde auch einen Projektbeirat, der aus Fachleuten aus Praxis und Wissenschaft bestand, mit ins Boot. Doch aus diesem Beirat heraus gibt es große Kritik an dem Konzept, für das sich die Justizbehörde nun entschieden hat.

Überwachung und Kontrolle

Sieben Expert*innen, vor allem aus der Wissenschaft, fordern die Justizbehörde auf, den Bauplan dringend zu überdenken. „Die extrem verdichtete Bauweise zugunsten der Überwachung und Kontrolle gefährdet prioritäre Ziele des Erziehungsvollzugs mit Jugendlichen und Heranwachsenden“, sagt Maelicke, der auch im Beirat sitzt.

Die Argumentation der Justizbehörde, dass mit einer umfassenden Überwachung Gewalt verhindert werde, sodass sich die Gefangenen angstfrei für Resozialisierungsmaßnahmen öffnen würden, hält er für abwegig. „Der Anspruch totaler Kontrolle ist in der alltäglichen Praxis nicht einlösbar“, sagt Maelicke. Stattdessen sei ein Dorf-Modell, bestehend aus mehreren kleineren Gebäuden, sinnvoller. Keine andere neuere Jugendanstalt in Deutschland sei ähnlich dicht bebaut.

Der rot-grüne Senat schloss 2018 mit CDU und FDP den Friedenspakt, damit der Vollzug nicht mit jeder Legislaturperiode wieder zum politischen Spielball werde.

Zentraler Bestandteil war der Konsens, die JVA Hahnöfersand zu schließen und eine moderne Jugendanstalt neu zu bauen.

„Die Planung muss mindestens durch die Gestaltung der bisher unbeplanten freien Fläche ergänzt werden“, sagt Maelicke. Dort könnten die Jugendlichen etwa durch Gemüseanbau, Tierhaltung oder Freizeitgestaltung soziales Verhalten, aktive Mitwirkung in der Gestaltung des Alltags und Selbstständigkeit lernen.

Doch in der gegenwärtigen Planung ist die dafür vorgesehene Fläche noch verwaist. „Wir nehmen uns Zeit, zu schauen, was dort am sinnvollsten errichtet werden kann“, sagt Steffen. Von einem zusammenhängenden Baukörper will der Senator jedoch nicht abweichen.

Die Opposition schließt sich der Kritik von Maelicke an. „Im Jugendvollzug sind andere Bundesländer wesentlich weniger auf Repression bedacht“, kritisiert Martin Dolzer (Linke). Auch die FDP moniert, neben den hohen Kosten, die Beratungsresistenz des Ministers. „Angesichts dieser Planungsmängel fordern wir eine Expertenanhörung im Ausschuss“, sagt Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein.

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