piwik no script img

Neues Album von US-Musiker MobySeichte Systemkritik

Moby hat sein neues Album herausgebracht. In „These Systems Are Failing“ setzt er wieder auf ölige Gitarren und verzweifelte Agitationslyrik.

Sänger Moby gibt sich auf seinem neuen Album politisch Foto: reuters

Der Kapitalismus hat den Wohlstand geschaffen, aber auch die Arbeitslosigkeit. Die Atomkraft brachte das bequeme Leben, aber auch die Apokalypse. Und das Internet machte uns zu polikulturellen Weltbürgern, aber auch zu Sklaven des Klick-Triebs, gefangen in der falschen Freiheit der Social Media. Dem Titel des neuen Albums des US-amerikanischen Musikers Moby lässt sich daher nur zustimmen. „These Systems Are Failing“ – dass die System abschmieren, trifft schon lange zu, war aber selten so wahr wie 2016.

Es ist bereits Mobys 13. Werk, aber sein erstes Album mit der Band The Void Pacific Choir – diesmal unterstreicht der US-Künstler ausdrücklich die politische Ausrichtung seiner Texte. Der 51-Jährige, der in den achtziger Jahren als Sänger der Hardcore-Punkband Vatican Commandos reüssierte, greift nach vielen Jahren als Produzent von Dancepop wieder zum Mikrofon. Die Bandbegleitung, die Slogans, die vermeintliche Post-Punk-Ästhetik, das wirkt auf den ersten Blick gelungen.

Doch die neun Stücke klingen eher verzweifelt als agitatorisch – und erzeugen eher die Langeweile von Depeche Mode als dass sie aufrütteln wie die Songs von The Clash, mit denen sich Moby in einem Interview indirekt verglich. Selbst die Songs, die so schöne Titel tragen wie „Are You Lost in the World Like Me“ versinken in öligen Gitarrenriffs und Stadionpathos. Sie sind eher Autoscooter als Punk. Der Song „And It Hurts“, mit erinnerungswürdiger Hookline, klingt vergleichsweise wütend, nur sucht er als Liebeslied das vermeintlich Politische leider nur im Privaten.

Ganz im Gegenteil zum Album-Trailer: Er zeigt Menschen, die im überfüllten Supermarkt stehen, Bulldozer, die einen Wald abholzen, Küken, die von einem Fließband stürzen und Gebäudekomplexe, die so grundlos explodieren wie Autos in Vorabendkrimis im Trash-TV von RTL. Es ist eine Collage des Bösen, die alles miteinander kurzschließt. Mobys Absichten mögen gut sein – ist er doch seit 30 Jahren politischer Aktivist und Tierrechtler. Aber: Welche Seele beeindruckt diese moralische Pyrotechnik noch? Wo doch das Elend der Welt dem reizüberfluteten Ich als mediale Dauerüberforderung begegnet, und ihm nur noch flüchtige Déjà-vus entlockt, anstatt vom Leid der anderen auf die eigene privilegierte Unversehrtheit zu schließen?

Klimaneutrales Freibad

In „Erupt and Matter“ heißt es: „We don’t trust you anymore“. Aber wer ist eigentlich das Wir und wer das Ihr? Mobys Ihr, so viel ist klar, sind die Bösen: die Bulldozer, Schlachter, Börsenhändler. Das Wir, das sind vielleicht die Kumpels, mit denen Moby zu Hause in Los Angeles abhängt – nannte er doch 2014 in der britischen Tageszeitung Guardian als einen der Gründe für seinen Umzug von New York nach Kalifornien: „Ich will mit Freunden im Februar an meinem Pool sitzen und die Wetter-Updates der restlichen Welt anschauen.“ Selbst wenn der Pool klimaneutral ist, klingt das doch eher nach Eskapismus statt Agitation – und lässt sein Album „These Systems Are Failing“ reichlich unglaubwürdig erscheinen.

Das Album

Moby & The Void Pacific Choir: „These Systems Are Failing“ (Embassy of Music).

Abgesehen davon, dass politische Kunst längst darüber hinaus sein sollte, die Welt nur zu beschreiben, um sie zu verändern, wie der Regisseur Rainer Werner Fassbinder mal sagte. Vielmehr muss die Beschreibung selbst beschrieben werden. Das traditionelle Gut-und-Böse-Narrativ funktioniert nicht mehr. Vor allem, weil wir in einer hypervernetzten Welt immer auch selbst die Bösen sind. Auch die klassischen Systeme der Kritik, sie scheitern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.