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Neues Album von PlanningtorockJenseits von Form und Norm

Heavy Issues – Happy Music: mit ihrem Album „All Love’s Legal“ erprobt die in Berlin lebende britische Künstlerin Planningtorock musikalischen Anti-Essentialismus.

Sprengt Normen wo sie sie findet: Planningtorock. Bild: tailored communication

„Jam is my name, J-J-Jamo is my name“, singt eine Stimme und entweicht hoch säuselnd der Melodie. „Jam is my name.“ Singt sie, oder singt er? Der verzerrte Gesang, hochgepitcht, aber doch mit tiefem Timbre, gibt das Geschlecht nicht preis. Auch die namentliche Identität – Jam – hinterlässt Ungewissheit.

Die in Berlin ansässige britische Künstlerin Planningtorock, bürgerlich Janine Rostron, heißt inzwischen auch im wirklichen Leben Jam und gibt sich damit einen geschlechtsneutralen Namen. Auf ihrem nun erscheinenden neuen Album, „All Love’s Legal“ ist Jam nicht mehr fiktiv. Nein, hier verkündet die tatsächliche Jam Rostron – über einen trockenen Bass singend – ihre Namenswahl.

Die aus dem nordenglischen Bolton stammende Planningtorock ist eine zwischen den Genres tänzelnde selbstbestimmte Künstlerin, die mit Kostümperformances, Videokunst und Popmusik die Grenzen der Disziplinen austestet. Ihr Künstlername verspricht Hingabe und Spaß, doch vor allem ist Planningtorock ein One-Woman-Multi-Media-Projekt, das die Demarkationslinien von Form und Norm überschreitet. Auf ihrem neuen Album offenbart Jam Rostron Persönliches und kehrt es ins Politische.

„Ich will nützliche Musik machen“, sagt sie im Gespräch. „Ich will Themen ansprechen, die mich herausfordern. Dabei gehe ich auch offen mit meiner Person um.“ Geschlecht, Hautfarbe, Klasse und Herkunft – für Rostron sind dies alles künstliche Konstrukte, die abgeschafft gehören. Ihre eigene Person zieht sie, so scheint es, in ihren Songs nicht aus Exhibitionismus heran, sondern um den Blick auf die individuelle Geschichte zu richten. Leidet sie in einem Song – „Oh sometimes, my heart is on the ground“ –, so entlarvt sie im nächsten: „Give me human drama and kind of feel that gender is just a lie.“

Kritik an den Geschlechterverhältnissen

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Bereits auf ihrem letzten, 2012 erschienenen Album, „W“, mit dem sich Jam Rostron erfolgreich im Popbusiness positionierte, verknüpfte die 42-Jährige ihre Musik mit politischen Aussagen. Ihren genderfreien Namen offenbarte sie schon damals im Song „Jam“. Retrospektiv erscheint ihr dies aber noch zu zurückhaltend: „Ich traute mich damals nicht, direkt zu sein. Also hat mich keiner verstanden. Und plötzlich wurde ich eine bekannte Figur, die mit einem bestimmten Image in Verbindung gebracht wurde. Es entsprach nicht meinem Selbstverständnis. Inzwischen weiß ich, dass ich lieber verstanden und herausgefordert werden möchte als missverstanden und unbeachtet.“

Auf dem neuen, von ihr selbst produzierten Album „All Live’s Legal“ nimmt sich Planningtorock daher unverfroren ihrer Kritik an den Geschlechterverhältnissen an. Nicht anklagend, sondern auffordernd formuliert sie ihre Texte. „Themen, die ich benutze, habe ich in meinen Texten als Objekte behandelt, als wären sie greifbare Dinge oder Personen.“ Und so richtet sie sich direkt an ein gesellschaftliches Ungetüm, das Patriarchat, und singt ihm heiter über einer Dur-Melodie aus Geiger-Synthies und schnellem Breakbeats ins Gesicht: „Patriarchal life, get out of the way!“

Heavy Issues, Happy Music, so bezeichnet Rostron ihre Kunst gerne. Ein entsprechender Antagonismus zieht sich konsequent durch das neue Album. Darin adaptiert Jam Rostron auch den HipHop-Evergreen „Let’s Talk About Sex, Baby“ von Salt ’n’ Peppa und verformt den Song zu einem glücklichen Disco-Hit, nun mit hochgepitchter Stimme „Let’s Talk About Gender, Baby“ über funky Bass und Streicherriffs schwingend. Den Track „Misogyny Drop Dead“ baut sie auf einem simplen Groove und einem schrammeligen Bass auf und verkündet zu diesem humorvoll daherkommenden Soundtorso „degenderize all intellect“ – ein kraftvoller Kontrast.

Auch Instrumente befreit Rostron von Rollenmustern. Ein Saxofon, eigentlich für die Melodie bestimmt, macht sie dank elektronischer Vervielfältigung zu einem Akkordinstrument. Ihre Stimme setzt sie auch für Rhythmus oder Riffs ein.

Das Album

Planningtorock: All Love’s Legal (Human Level Recordings/Rough Trade)

Planningtorock Live: 25. 2. Leipzig, UT Connewitz, 26. 2. Berlin, Schwuz, 4. 3. Hamburg, Uebel & Gefährlich“, 5. 3. Köln, Luxor

Jam Rostrons konsequente Formverfremdung und das Aufbrechen starrer Rollen in ihrer Kunst lässt sich gut unter einem Begriff zusammenfassen: queer. Dieses intellektuelle Konzept, ursprünglich als Widerstand gegen das Normale gedacht, ist mittlerweile in den Sphären von Pop und Fashion en vogue.

„Ich mache seit über zehn Jahren Musik. Schon immer habe ich mich als feministische Musikerin bezeichnet.“ Sie sagt: „Im Musikbusiness, in dem vor allem Männer arbeiten, ist es hart als Frau. Du bist nicht einfach eine Musikerin, sondern immer auch eine Frau, die Musik macht. Meine Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen und mit gesellschaftlichen Normen überhaupt passt gut zu dem Begriff „queer“. Dass mein Denken mit einer Mode zusammenfällt, ist aber Zufall.“

Musikalisch reduziert Planningtorock ihr neues Album auf minimale Arrangements. Langsame Gitarrenriffs lässt sie auf einer einfachen Bassdrum ausklingen, ihre typischen Streichersequenzen untermauert sie mit simplen Claps. Mit nur wenigen Zutaten – Bassdrum, Hi-Hat, fragmentarischen Gesangslinien und einem für sie typischen Saxofonriff, dessen Sound sie im Laufe des Tracks mutieren lässt – produziert sie den vollfetten Dance-Track „Public Love“.

Kaum Geld, wenig Zeit

Dass „All Love’s Legal“ nicht ganz so präzise und voluminös geraten ist wie der Vorgänger „W“, liegt an dem Bestreben Rostrons, sich allen Erwartungen zu widersetzen. Die Rahmenbedingungen für das Album – kaum Geld, wenig Zeit – hat sie sich selber gesetzt. „An ’W‘ habe ich zwei Jahre gearbeitet, doch wenn ich zu viel Zeit habe, verliere ich mich in Zweifeln. Für mein neues Album habe ich mich daher einfach zeitlich limitiert.“

„All Love’s Legal“ ist Jam Rostrons erste Veröffentlichung auf ihrem eigenen Label Human Level. Ihrer musikalischen Handschrift ist sie bei diesem Album treu geblieben. Sphärische Dunkelheit in den schweren Rhythmen und den in tiefe Oktaven gesetzten Riffs verbindet sie mit einem beschwingenden Optimismus, der aus den instrumentellen Rollenverschiebungen und den pointierten Phrasierungen herausschwingt. „All Love’s Legal“ ist simpel und streng, auffordernd und frei. Ihre politischen Botschaften singt Planningtorock mit ihrem unverwechselbar warm-tiefen Gesang, der in freien Melodien über den klaren Soundkonstruktionen schwebt. An welcher Stelle des Albums der natürliche Klang ihrer Stimme zu hören ist, weiß man nie so recht. Das verrät J-J-Jamo selbstverständlich nicht.

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