Neues Album von Laing: Den Hengst kenn' ich längst
Das neue Album der Berliner Band Laing heißt „Wechselt die Beleuchtung“ – und hört sich an wie elektronisch vertonte Ringelnatz-Gedichte.
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Man könnte es musikalische Alltagspoesie nennen: kluge Texte, mit einem Gefühl für Sprachrhythmus, vorgetragen mit glockenklaren Stimmen und elektronischem Pling-Plong. Laings Debütsingle „Safari“ vereint, was man von ihrem 346423/wechselt-die-beleuchtung-trailer:neuen zweiten Album „Wechselt die Beleuchtung“ erwarten kann. Der Track ist tanzbar, demonstriert die stimmliche Klasse der Sängerinnen und ruft ein Schmunzeln hervor.
Denn im Text geht es um Partnersuche. Es ist Damenwahl an den Wasserstellen im Großstadtdschungel, die unterschiedlichen Männertypen tragen Tiernamen. „Siehst du den Hengst, kenn’ ich längst / Hat mich nicht amüsiert / Selbst mit der Kröte hab ich es probiert“, singt die Leadsängerin Nicola Rost zu Synthie-Sound und Bongorhythmen.
Humor und Emanzipation sind tragende Stilelemente in der Klangwelt von Laing, das Quartett setzt sich über Genres hinweg und hat sich so einen eigenen Platz in der deutschsprachigen Musikszene erobert.
Empfohlener externer Inhalt
Sie modernisieren die Neue Deutsche Welle, obwohl es fast etwas zu einfach wäre, die Band zwanghaft auf etwas schon Dagewesenes zu reduzieren. Was die jungen Frauen aus Berlin seit 2007 fabrizieren, klingt eher so, als würde eine Motown-Girlgroup in den 80ern Elektro entdecken und damit Gedichte von Joachim Ringelnatz vertonen.
Laing können laut und können leise, mit den beiden Tracks „Sagen Sie Sie“ und „Das letzte Lied“ wird klar, dass die Damen auf Pling-Plong auch verzichten können, denn ihre Stimmen und ihre Texte tragen viel.
Allerdings funktioniert das nicht immer, wie der etwas eintönige Track „Kaugummi“ nahelegt, der sich der Langeweile, die er beschreibt, klanglich zu sehr angenähert hat. Auch der Versuch, nach ihrem großen Hit „Morgens immer müde“ erneut einen Schlager zu covern, geht in die Hose. Manche Kunststücke lassen sich eben nicht wiederholen.
Metaebene des Alltäglichen
Das macht aber nichts, denn die anderen Tracks haben Biss. Selbst der für Laing ungewöhnlich melancholische Song „Dein, Deine, am Deinsten“ wird dank Sprachgefühl und Metapherneinsatz vom Kitsch befreit, sie betonen immer die Metaebene des Alltäglichen und haben ein gutes Auge für zwischenmenschliche Begegnungen und Marotten. Im eingängigen Popsong „Zeig mir deine Muskeln“, der täuschend echt nach den 80er Jahren klingt, thematisieren Laing mit einem Augenzwinkern den Drang, bestimmte Muskelgruppen, die eigentlich nicht wichtig sind, zu trainieren, um begehrt zu werden.
Der lateinisch gesungene Refrain ist ein Novum der Popgeschichte und ein Ausflug in die Anatomie: „Ich steh auf deinen Bizeps, Trizeps, Musculus maximus / Trag mich heim mit deinem Quadrizeps latissimus, Rectus abdominis.“
Laing: „Wechselt die Beleuchtung“ (Island/Universal)
Die Shows von Laing sind bekannt für ihre elegante Choreografie, für einheitliche Kostüme und gesangliches Raffinement. Dass die vier Damen überraschen können, beweisen sie mit dem Titeltrack, der erst ruhig, dann mit Post-Dubstep-Elementen daherkommt. Auch diesen Schuh können sich Laing ohne weiteres anziehen.
Apropos Schuh – nach eigenen Angaben kommt der Bandname aus dem Chinesischen und bedeutet: „Heißer Scheiß, der ab jetzt an deinem Schuh klebt.“
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