Neues Album von James Blake: Schwer auszuhalten
Man will dem Briten James Blake ja das Singen nicht verbieten. Weniger wäre aber auf seinem neuen Album eindeutig mehr gewesen.
„Studi Step“ hat ein Kritiker das Frühwerk des britischen Musikers James Blake mal getauft. Dessen streberhafte Fusion von Dubstep-Sound, bekömmlichen Poparrangements und melancholischen Gesangsmelodien erhielt vor einiger Zeit in hiesigen Uniradios tatsächlich Powerplay. Blakes ambitiöse Musik lenkte nicht weiter bei der Examensvorbereitung ab.
Inzwischen ist der 27-Jährige bei Album Nummer drei angelangt. „The Colour in Anything“ ist die endgültige Abkehr von der Kollektivgeschichte britischer Dancefloor-Kultur und ihrer rasanten Stilwechsel. Ein sakrales Werk von fast 75 Minuten Länge. Weniger wäre mehr gewesen. Na ja, hauptsächlich bewegt sich Blake in einer Welt der Superlative, arrangierte etwa Songs für das neue Werk von Beyoncé.
Die 17 Songs auf seinem eigenen Album hat er als Showcase für seine Falsettstimme angelegt. Das ist betrüblich, denn selbst geschmackvoll ausgewählte Zitate aus Trapbeat und Glitch-Techno führen bei ihm das Schattendasein von Blumenkübeln in der Fußgängerzone: nett gemeint, aber voll öde.
Erst am Ende schafft es Blake, zurückhaltend zu klingen. Im Finale „Meet You in the Maze“, das als beatlose A-cappella-Fassung eines barocken Songs daherkommt, hat er alles Instrumentale entfernt und konfrontiert den nackten Gesang mit dem Autotune-Effekt. So entsteht eine brüchige, an Laurie Andersons Song „Oh Superman“ erinnernde Hymne.
James Blake: "The Colour in Anything" (Polydor/Universal)
Ansonsten regiert schwülstige Emotion. Man will Blake das Singen ja nicht verbieten. Aber wenn er mit seiner Stimme auf selbstzufriedene Weise zu jammern anfängt, ist das nur schwer auszuhalten. Er jammert zwar auf hohem, produktionstechnisch amtlichem und musikalisch-virtuosem Niveau, aber ob die inzwischen Fertig-Studierten sich wieder dafür erwärmen, bleibt abzuwarten. Blakes künstlerische Verortung illustriert der Songtitel „Modern Soul“. Wenn „The Colour in Anything“ Soul sein soll, dann muss Soul dringend seine musikalische Selbstoptimierungsphase überwinden.
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