Neues Album von Double Deüce: Warmer Schinken und Eis am Stil

Das erste offiziell gemeinsame Album von Toby Goodshank und Angela Carlucci hat Humor. Seine wärmende Botschaft: The kids are alright.

Proträt von Angela Carlucci und Toby Goodshank

Angela Carlucci und Toby Goodshank sind Double Deüce Foto: Joanna Kelley

So in etwa hätte es wohl mal im US-Musik-PR-Sprech gelautet: Double Deüce sind deine besten Begleiter in globalen Krisenzeiten, selbst wenn sie dich dabei mit gezückter Waffe und glockenhellen Stimmen auffordern könnten, all deinen Reichtum rauszurücken. Gerade ist „Warm Ham in a Foreign Home“ beim Hamburger Label BB*Is­land erschienen – das erste offiziell gemeinsame Album von Toby Goodshank und Angela Carlucci, die seit Jahrzehnten in eigenen Projekten und Bands, daneben aber auch als Geschwisterduo Musik machen.

Und vielleicht ist jetzt ja die Zeit schlicht reif für dieses funky, folky, zuckersüße Beinahe-Dutzend Mitsinglieder in Punk-Länge. Denn die Krisen sind, seit die beiden Anfang der Zweitausender auf der Bühne standen, natürlich nur multipler geworden.

Einem längst vergessenen globalen Trauma spürten Double Deüce noch in einem Interview zu Beginn der Coronapandemie nach, in dem sie die unfassbare Zahl an Menschen beklagen, die der Krankheit zum Opfer gefallen sind. Ob die kollektive Verdrängung jener Zeit, Konflikte und Wahnsinn vielerorts befeuert haben, wäre eine Betrachtung wert.

Sicher schwingt manche Erschütterung in diesem Album nach. Allerdings sind Carlucci und Goodshank denn auch schlicht Meister im Trösten. Unter den Antifolkern, wie sie in der Bush-II.-Ära an der New Yorker Lower East Side emporkamen, stach das Duo bereits früher heraus. Niemand vermochte derart Hoffnung im Profanen zu finden wie Toby Good­shank und Angela Carlucci, notiert Dan Fishback auf der Rückseite des Albums.

Sleeping with your mum

Das Duo hat auch nie Nonsens und Gemeinheiten zugunsten einer kuscheligen Erzählung eingetauscht. Vor einer ernsthaften Wahlempfehlung oder sonstigen Haltungsanweisung – derzeit fast schon erwarteter Normalzustand in der Kulturindustrie – wird lieber wieder über Frischkäse, Relativitätstheorie oder Muskelrelaxans sinniert. Wer aus welcher Perspektive singt, ist ohnehin nie ganz sicher – „sleeping with your mum“, eine dem HipHop entlehnte Ansage an den Gegner? Oder bloß Familienalltag, besungen aus Sicht des Vaters?

Double Deüce kanalisieren jene fiebrige Energie, die so wohl nur zwei sich sehr nahe stehende Menschen entwickeln können; die eben noch zusammen Federball gespielt und danach neuen Unsinn zu weltumspannenden Erzählungen verdichtet haben. Ihre Lieder sind ein UND nach dem Eigentlichen. Ein Zustand, in dem es immer noch weitergehen kann, wenn man meint, die Geschichte sei längst zu Ende (oder das Böse lauere zuverlässig hinter der nächsten Ecke).

Cover, Collage aus Schinken und Ananas

Warmer Schinken, Eis und Ananas. Das von den Musikerinnen selbst gestaltete Albumcover Foto: Double Deüce

Der Eintritt ins fremde Zuhause, das nicht das eigene ist und in dem trotzdem ganz unverhofft eine Umarmung wartet – im Zweifel eben in Form des namengebenden Comfortfoods respektive Rollschinkens, der auch das Plattencover ziert. Für dessen fabelhafte Gestaltung zeichnen Carlucci und Goodshank, der nebenbei Zeichnungen und Comics ausstellt, selbst verantwortlich.

Double Deüce: „Warm Ham In A Foreign Home“ ist beim Label BB*Is­land erschienen.

Collagiert darauf abgebildet eine junge Frau, eine Karamellexplosion unterm Eis am Stiel, ein Archivbildschinken im Ananas-, ­Nelken- und Cocktailkirschenkleid. In der voll analogen Variante trägt das Vinyl die Farbe marmorierter Erdbeersahne – oder, wie es offiziell heißt, watery ham.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.