Neues Album von DJ Koze: Ein sorgenfreies Paralleluniversum
Deejaying als Kunstform: Das neue Album „knock knock“ übersetzt den Sound der Tanzfläche in ein schillerndes psychedelisches Kaleidoskop.
Nach wenigen Takten ist man mittendrin im Gefühlskosmos von DJ Koze, einem Kosmos, in dem Zeit und Ego keine Rollen spielen. „Club der Ewigkeiten“ heißt das erste Stück auf dem neuen Album des Hamburger Elektronik-Produzenten, das mit sanft pulsierender Percussion, schiebenden Subbässen und erhabener Orchestrierung durch Streich- und Blasinstrumente behutsam verwickelt in das Universum seines Albums „knock knock“.
Neben der unaufdringlichen Behutsamkeit ist es der sich durch die 16 Stücke ziehende Groove, an dem man, beseelt von psychedelisch wabernden und klackernden Sounds, kleben bleibt. Diesen Drive hat DJ Koze nicht an einen bestimmten Rhythmus geschraubt. Er durchfließt gleichermaßen langsame HipHop-Breaks, im 4/4-Takt druckvoll pulsierende Disco-Bassdrums und freie Beatkompositionen, um die herum Synthesizerflächen wabern, subsonische Bässe vibrieren und Harmonien schwirren. „Fast jedes Lied hat einen Beat und eine gewisse HipHop-Energie, auch wenn es kein Hit-Stomper ist“, sagt DJ Koze. „Mir war wichtig, dass das Gerüst tight und funky ist.“
Stefan Kozalla, wie DJ Koze bürgerlich heißt, ist ein Meister im Kreieren von Emotionen ohne nerviges Pathos, von erinnernden Referenzen ohne hängengebliebenen Nostalgie-Kitsch. Was vor fünf Jahren sein gefeiertes Album „Amygdala“ schon so stark machte, hebt der DJ und Produzent nun auf eine neue Ebene. „Es geht mir nach all den Jahren immer noch darum, eine musikalische Reise auf Albumlänge umzusetzen“, erklärt er und zieht einen Vergleich: „So wie wir mit 16 oder 17 leicht angeschickert ein Frank-Zappa-Album von der ersten bis zur letzten Sekunde angehört haben und dabei durchgedreht sind. Alles baut aufeinander auf und ergibt zusammen einen psychedelischen Trip.“
DJ Koze ist seit mehr 20 Jahren aktiv und ein auch im Ausland gefeierter DJ. In den 1990ern war er Teil der Flensburger HipHop-Crew Fischmob, später kombinierte er mit Erobique und Cosmic DJ als International Pony Electro-Funk, House und Soul zu verschrobener Tanzmusik mit Pop-Appeal. Parallel wurde DJ Koze zu einem gern hervorgehobenen Namen auf den Flyern von Techno-Partys. Als DJ wird der Wahlhamburger in Clubs weltweit für seine druckvollen und abwechslungsreichen Dance-Sets geschätzt. In Mixen für den Heimbedarf, wie seinem Beitrag für die DJ-Kicks-Reihe (2015), steckt er Welten über stampfende Four-to-the-floor-Beats hinaus bis zu HipHop und Electronica ab. Dieses Unentschiedene ist es auch, was ihn als Produzenten auszeichnet, er zimmert Tracks für den Dancefloor, bei Alben denkt er aber weit über dessen Grenzen hinaus.
DJ Koze
Die musikalische Aufgeschlossenheit hat sich der Mittvierziger bewahrt. Er ist sich der Muster, die in bestimmten Szenen auftauchen, bewusst und geht dennoch seinen eigenen Weg. „Ich öffne mich Musiken, die ich mag, völlig egal, ob man das auflegen kann“, erzählt er. „Das ist sehr befreiend, aber dazu gehört auch Mut. Für DJs ist ein Album ja eine Visitenkarte. Da gibt es die Angst, dass kein Mensch sie mehr in die Clubs buchen will, wenn keine Dance-Tracks drauf sind.“ Der größte Druck bei der Arbeit an einem Album komme aber immer noch von ihm selbst. „Das ist ein bizarrer Zustand zwischen Größenwahn und Selbstzweifeln: Eigentlich denke ich oft, ich kann nichts und der Schwindel fliegt bald auf. Manchmal kann ich einfach keine Musik machen. Mit dem Alter akzeptiere ich das besser“, reflektiert er. Im Umgang mit Gefühlen, die blockieren, hilft ihm außerdem Humor, der seit jeher das Schaffen von DJ Koze durchzieht.
Das minimalistische Video zu „Pick Up“, der dritten Single seines neuen Albums, wird von kargem Schwarz dominiert, auf dem in weißer Schrift kurze Kommentare zur Musik erscheinen: „vocal sample #1“, „disco sample loops 6x“. Mit feinem Humor zeigt DJ Koze oder Kosi, wie er auch genannt wird, wie aus wenigen Elementen ein soghafter Track entstehen kann. Gleichzeitig nimmt er übertriebenen Wissensdurst auf die Schippe, wenn auf dem Schwarz auftaucht: „boys trying to shazam the tune“. Es wirkt wie ein Kommentar auf die Unfähigkeit, Musik einfach nur zu genießen. „Mit Humor verschaffe ich mir Luft, der hilft gegen eine übertrieben ernsthafte Wahrnehmung von Sachen“, sagt er. „Humor macht Freude und versetzt die Herzen in Schwingung – immediately!“
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Das Vocal-Sample bei „Pick Up“ kommt von dem Soulsong „Neither One of Us“ von Gladys Knight & The Pips. Gitarren-Riffs und Streicher tauchen in den Stücken auf „knock knock“ immer wieder auf. Soul, Funk und Disco lassen sich erahnen, auch HipHop und R&B, der auch durch einen Gast wie Speech von der US-HipHop-Formation Arrested Development repräsentiert wird.
Viel prominente Unterstützung
HipHop als Referenzsystem hat trotz der Auflösung von Fischmob Ende der 1990er für DJ Koze weiter gegolten. So inspirieren ihn auch Sounds des Oldschool-Rap wie das Jazzige der New Yorker Rapper A Tribe Called Quest und der Umgang von 9th Wonder mit Samples. „Ihre Produktionsweise war bedeutsam für meine ganze musikalische Sozialisierung“, sagt er. „Wenn mich das damals so stark berührt hat, wieso sollte ich nicht versuchen, mit den heutigen Tools an diese Intensität ranzukommen, ohne dass es nostalgisch klingt oder bloß eine billige Kopie ist. Ein geiler Beat ist ein geiler Beat, egal, ob er 15 Jahre alt ist oder vor zwei Monaten programmiert wurde.“
DJ Koze: „knock knock“ (Pampa/ Rough Trade)
Prominente Unterstützung bekommt DJ Koze auf seinem Album von der irischen Popsängerin Róisín Murphy und dem Autotune-Crooner Kurt Wagner von Lambchop. Auch die gefeierte junge Hamburger Künstlerin Sophia Kennedy, deren Debütalbum vergangenes Jahr bei DJ Kozes Label Pampa veröffentlicht wurde, wirkt bei „knock knock“ in dem wundervoll melancholischen Finale „Drone Me Up, Flashy“ mit. Für das Stück „Music On My Teeth“ hat DJ Koze wiederum mit dem schwedischen Indie Folkgitarristen José González zusammengearbeitet. Am Anfang erklingt hier als Sample die Stimme des Religionsphilosophen Alan Watts, der in den 1950ern mit Büchern über Zen-Buddhismus bekannt wurde. Zeit sei eine soziale Einrichtung, keine physikalische Realität, sagt Watts.
DJ Kozes Album „knock knock“ ist mehr als nur ein zeitgemäßes Sammelsurium musikalischer Einflüsse. Es ist der kreative Strom, in den der Künstler die vielen unterschiedlichen Zuflüsse von Techno bis HipHop, von Soul bis Psychedelik einleitet und ein überhöhtes Verständnis des eigenen Egos wegspült. So gesteht der Produzent: „Für mich ist Musik ehrlicherweise Eskapismus in ein angenehmes, sorgenfreies Paralleluniversum.“ Es ist ein Kosmos mit eingängigen Melodien, melancholischer Wärme, verschobener Euphorie, hypnotischer Eindringlichkeit und verschmitztem, wohlwollendem Humor. Dass DJ Koze uns mitnimmt in diese zauberhafte, schillernde Klangwelt, bereitet große Freude.
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