Neuer Wohnungsmarktbericht: Mieten steigen ungebremst
Die Einkommen der Berliner legten im vergangenen Jahr zu, aber die Mieten stiegen deutlich schneller. Das ist ein Ergebnis des IBB-Wohnungsmarktberichts 2018.
Nein, es wird nicht besser. Auch nicht unter Rot-Rot-Grün. Immer im März, wenn die Investitionsbank Berlin (IBB) und die Stadtentwicklungsverwaltung ihre aktuelle Statistik vorstellen, gibt es neue Hiobsbotschaften, und jedes Mal ist die Botschaft dieselbe: Wohnen in Berlin wird teurer.
10,32 Euro pro Quadratmeter musste im Schnitt hinblättern, wer vergangenes Jahr eine neue Bleibe suchte. Das ist eine Steigerung von 5,4 Prozent gegenüber 2017. Die Einkommen sind dagegen im gleichen Zeitraum nur um 3,8 Prozent gestiegen. Diese Zahlen nennt der IBB-Wohnungsmarktbericht 2018, den Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) und Jürgen Allerkamp, Vorstandsvorsitzender der IBB, am Freitag präsentierten.
Noch düsterer sieht es aus, wenn man die Entwicklung von Einkommen und Mieten über einen längeren Zeitraum verfolgt. So stiegen die Einkommen der Berliner Haushalte von 2013 bis 2017 um 8,3 Prozent, während die Angebotsmieten um 24,5 Prozent durch die Decke schossen. Aber auch wer eine Wohnung hat, muss im Vergleich zum Einkommen mehr hinblättern. Denn auch die ortsübliche Vergleichsmiete kletterte um 15,3 Prozent nach oben. Im gleichen Zeitraum wuchs Berlin um 5,6 Prozent an Bewohnerinnen und Bewohnern, der Wohnungsbestand erhöhte sich um 2,6 Prozent.
Senatorin Lompscher hält dessen ungeachtet an ihrem „Zweiklang zwischen Neubau und wohnungspolitischen Maßnahmen fest“, wie sie sagte. Ein besonderes Augenmerk richtet sie auf den Bauüberhang, jene Wohnungen also, für die es eine Baugenehmigung gibt, die aber noch nicht fertiggestellt sind.
Spekulation mit Baugenehmigungen?
Insgesamt befanden sich 2017 58.990 Wohnungen im Überhang. Vermutungen, dass ein Großteil der Investoren mit Baugenehmigungen spekuliere, also diese lieber teuer weiterverkaufe, anstatt zu bauen, haben sich laut IBB nicht bestätigt. So seien 90 Prozent der Ende 2017 im Bauüberhang befindlichen Wohnungen erst in den Jahren 2015 bis 2017 genehmigt worden. „Es ist davon auszugehen, dass 95 Prozent der zum Bau genehmigten neuen Wohnungen auch realisiert werden“, so IBB-Chef Allerkamp. Eine mögliche Spekulation spiele demnach nur eine untergeordnete Rolle. Als einen Grund für die verzögerte Fertigstellung nannte Lompscher die gestiegene Bauzeit. Sie betrage derzeit 28 Monate. „Die Bauwirtschaft“, so Lompscher, „befindet sich an der Kapazitätsgrenze.“
Dass die Situation in Berlin nicht noch dramatischer ist, liegt am Bevölkerungswachstum, das sich etwas abgeschwächt hat. So betrug der Wanderungsgewinn 2017 nur noch 33.533 Menschen. Das sind deutlich weniger als 2016, wo noch 54.148 Menschen mehr nach Berlin gezogen als von hier weggezogen sind. Nach wie vor kommen vor allem Ausländer in die Stadt, zuletzt deutlich mehr aus Großbritannien, wohl eine Folge der Debatten um den Brexit.
Im Vergleich mit anderen Städten hat Berlin beim Wachstum, bei der Miete und den Einkommen die größte Dynamik, sagt Arnt von Bodelschwingh vom Büro RegioKontext, das die Daten ausgewertet hat. „Wir kommen mit hoher Geschwindigkeit in der Normalität westdeutscher Großstädte an“, so von Bodelschwingh. „Das verursacht die Wachstumsschmerzen, und das passiert ungebremst.“
Im Vergleich zu Berlin liegen die Angebotsmieten in Köln bei 11 Euro, in Hamburg bei 11,45 und in München bei 17,30. Allerdings ist auch das Einkommen in diesen drei Städten um 10, 24 und 51 Prozent höher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind