Neuer UN-Bericht: Der Irak bleibt ein Schlachthaus
Die Zahl der toten, verletzten und vertriebenen Zivilisten im Lande nimmt erschreckende Ausmaße an. Dies geht aus einem UN-Bericht hervor.
Berlin taz | Die Zivilbevölkerung im Irak zahlt einen außerordentlich hohen Preis für die schier endlosen bewaffneten Konflikte im Land. Alleine im Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis Ende April 2015 wurden im Irak fast 15.000 Menschen getötet und knapp 30.000 verwundet.
Dies geht aus einem Bericht hervor, der am Dienstag gemeinsam von der UN-Organisation für den Irak (Unami) und dem Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen (UNHCHR) vorgelegt worden ist. Die höchste Zahl der Opfer gab es demnach im Bezirk der Hauptstadt Bagdad, wo 1586 Menschen ums Leben kamen und 4138 verletzt wurden, gefolgt von ähnlichen Zahlen in den Provinzen Anbar und Diyala.
Eine unmittelbare Folge der anhaltenden Kämpfe im Irak sind die massiven Vetreibungen und Fluchtbewegungen der Zivilbevölkerung. Im untersuchten Zeitraum von Januar 2014 bis Ende April 2015 mussten im Irak 2.834.676 Personen ihren Heimatort verlassen. Rund 1,3 Millionen von ihnen waren Kinder. Etwa 38 Prozent der intern Vertriebenen fanden Zuflucht in den kurdischen Gebieten im Norden des Irak, insbesondere in der Provinz Dohuk.
Jezidische Frauen und Mädchen in der Gewalt des IS
Während viele Flüchtige privat untergebracht werden konnten, musste ein knappes Drittel mit behelfsmäßigen Unterkünften in halbfertigen Gebäuden oder Schulen zurecht kommen. Nur etwa sieben Prozent der Menschen fanden Zuflucht in regulären Flüchtlingslagern.
In den irakischen Gebieten, die der Kontrolle des Islamischen Staates unterstehen, sind die Menschenrechte in besonderer Weise gefährdet. Laut Berichten von Augenzuegen und Betroffen sind umfassende, systematische und verbreitete Misshandlungen von Minderheiten, Andersgläubigen und mutmaßlichen Gegnern an der Tagesordnung. Personen, die im Verdacht stehen, für die irakischen Sicherheitskräften zu arbeiten, würden gezielt und ohne jede Rücksicht umgebracht.
Christen, Schiiten oder Jeziden würden systematisch verfolgt und misshandelt. Frauen und Mädchen dieser Gruppen stünden ganz besonders im Fadenkreuz der Dschihadisten. Derzeit befänden sich noch etwa 3500 Personen, vor allem jezidische Frauen und Mädchen, in der Gewalt des IS. Täglich seien sie sexueller oder physischer Gewalt ausgesetzt.
Auch irakische Sicherheitskräfte machen sich schuldig
Nach Berichten geflohener Personen leiden diese Menschen auch unter dem Entzug von Nahrung und Wasser. Oft werden sie weiter verkauft oder auch brutal ermordet. Bei all diesen Taten könnte es sich laut UN-Untersuchung um Kriegsverbrechen, Vebrechen gegen die Menschlichkeit oder gar um Völkermord handeln.
Aber nicht nur der Islamische Staat, sondern auch die irakischen Sicherheitskräfte begehen nach UN-Angaben ernsthafte und schwere Verstöße gegen die Menschenrechte. Diese umfassten insbesondere Luftangriffe auf Zivilisten während eines militärischen Vormarsches, die Bombardierung von Wohnvierteln, aber auch die Tötung gefangener Gegner, die gezielte Entführung von Personen und den Diebstahl von Eigentum.
In sehr vielen der angegebenen und untersuchten Fällen sei es aber schwer möglich oder gar unmöglich, die Täter konkret auszumachen und ihre polizeiliche oder gerichtliche Verfolgung zu garantieren.
Leser*innenkommentare
S. aus F.
Der Einmarsch in den Irak durch die USA war sicherlich falsch, aber er ist passiert, und nicht mehr Rückgängig zu machen.
Insofern wird der Irak die nächsten Jahre über ein sehr blutiges Gebiet bleiben. Ändern können wir daran nichts.
Richard Kotlarski
Jürgen Todenhöfer hat doch behauptet, dass nach dem Abzug der US-Truppen der Weltfrieden ausbrechen werde. Gab es vor dem Abzug der US-Truppen pro Jahr weniger als 5.000 Opfer pro Jahr, so sind es 2014 mehr als 15.000 - fast soviel wie in den schlimmsten Zeiten 2006, als die Vorgänger der IS in Falludscha den Aufstand probten.