Neuer Trend Anti-Soziale-Netzwerke: Die Ich-geh-dir-aus-dem-Weg-App
Dazugehören gehört dazu. Auf Facebook, Twitter, Instagram. Aber jeden der „Freunde“ treffen? Bloß nicht. Eine App hat das Hasspotenzial erkannt.
Wer Misantroph ist, hat es schwer. Es sei denn, man distanziert sich von allen sozialen Netzwerken, ist konsequent offline, hat nur ein Festnetz und schreibt noch Faxe.
Doch nur wenige Sozialphobiker im Herzen schaffen es, sich nicht zu vernetzen. Ja, ja, Facebook ist out und da ist man nur noch beruflich, ist klar. Und Twitter dient der Recherche, Nachrichtenkanal und so. Und vom Sofa aus wird dann doch hektisch gecheckt, wer grad wo mit wem essen geht, auf welchem Flughafen sich die Freunde rumdrücken und welches gephotoshopte Neidbild von der tollen Reise getwittert wird.
Da labt und grämt man sich zugleich an den Hunderten Freunden und Tausenden Followern. Für die eigene Rechtfertigung versichert man sich, dass man doch Herrscher über seine sozialen Netzwerke ist und wirklich jederzeit abschalten kann.
Doch die Straße ist schwerlich auszublenden und wer an einem Samstagvormittag unverhofft im Café auf einen dieser „Freunde“ trifft, dessen Klarname einem grad so gar nicht einfallen möchte, und der einem mit Pseudo-Geschwätz dann den ganzen Tag versaut, kann sich jetzt helfen lassen. Naürlich digital, via App.
Cloak heißt die Antwort auf die sozialen Netzwerke und nennt sich selbst das Anti-Soziale-Netzwerk. Die App verbindet sich mit sozialen Netzwerken – derzeit Instagram und Foursquare – und lokalisiert so Personen, mit denen der Nutzer verknüpft ist. Ist einer der vernetzten Leute im Umkreis von bis zu zwei Meilen (gut 3,2 Kilometer) unterwegs, sendet Cloak einen Alarm. So kann der Samstag vielleicht doch noch gerettet werden, indem eine andere Ecke des Kiezes angesteuert wird.
Einer der Macher, Chris Baker, der sich ausgerechnet beim Aggregator für soziale Netzwerke schlechthin, Buzzfeed, einen Namen gemacht hat, schreibt in einer Mail an die Washington Post: „Ich persönlich denke, dass wir den Gipfel der großen sozialen Netzwerke erreicht haben.“ Was das Angebot einer Gegenbewegung so wahnsinnig sinnvoll macht, um das Hass-Potenzial abzuschöpfen.
Derzeit ist Cloak noch nicht mit Facebook oder Twitter vernetzt, was die Nutzung einschränkt und nun wirklich keine Verlässlichkeit bietet, um unangehmene Echtzeit-Begegnungen zu vermeiden. Weitere soziale Netzwerke sollen laut iTunes-Beschreibung jedoch bald folgen, mit einer Einschränkung. Twitter-Follower wird man auf der Straße wohl nicht mit Cloak vermeiden können, da, wie die Macher schreiben, „die Ortsdaten schlicht nicht vorhanden sind“.
Aber da war ja was, die Old-school-Lösung: Einfach nicht jedem Idioten folgen, dann nervt auch niemand auf der Straße.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft